Metapop

Das Laden einer Waffe und Sinead O’Connor. Auf Fatima Al Qadiris Debut geht sich Diskurs und Bass aus. Unheimlich, verdächtig, gut.

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Verdächtig

Da ist etwas, was verdächtig nach einem Midi-Preset-Chor klingt. Darüber eine Frauenstimme. Der Text asiatisch. Die Melodie verdächtig bekannt.

Es handelt sich um eine Cover von Shinead O’Connors "Nothing Compares 2 U" mit dem Titel "Shanzai (for Shanzai Biennial)" und bildet nicht nur den Opener sondern auch gewissermaßen den Schlüssel zu Fatima Al Quadiris Debutalbum "Asiatisch". Der erste Titel nimmt zahlreiche Aspekte des gesamten Werks vorweg: den starken Bezug zu Kunst (auf den der Begriff "Biennial" schon hinweist), die Beschäftigung mit und Reflexion von Popkultur sowie eine Mixtur von eigenartigen, ja unheimlichen Sounds, die sich in binär kodierter Wonne zuerst miteinander, dann auseinander bewegen. Im Verlauf dieses unglaublichsten aller O’Connor Covers werden die Chöre immer dissonanter. So als hätten sie es satt, die Hintergrundmusik für eine Neuauflage der Hits aus 1990 zu sein. So als distanzierten sie sich absichtlich von massentauglichen Melodien, vom Bekannten.

Hilfe, Konzeptkunst

Verdächtig auch, wie das riecht. Nämlich 100 Meter gegen den Wind nach Kritik am System, Metaebenen so zahlreich als wären sie Stockwerke von Kaufhäusern in Dubai und vor allem nach dieser Konzeptkunst, dieser anstrengenden. Am allerverdächtigsten ist, wie sich Fatima Al Quadiris Persona dem allem einschreiben lässt. Die Künstlerin wurde 1981 in Dakar geboren und ist in den 90ern in Kuweit aufgewachsen. Die androgyn wirkende Produzentin studierte in Amerika, schreibt als Kolumnistin für DIS Magazine, wo sie unter dem Titel Global .Wav (man beachte das vielsagende Leerzeichen) Musikvideos aus allerweit sammelt und mit Beobachtungsgabe und meinungsstarker Wortwahl kommentiert. Sie ist Mitglied mehrerer musikalischer und künstlerischer Kollektive, unter anderem GCC, mit denen sie seit März im MoMA PS1 ausstellt. Auch gerade dort: James Ferraro.

Vaporwave

Das sei erwähnt, weil er zusammen mit Al Qadiri in Adam Harpers Artikel über Vaporwave, der 2012 erschien, prominent als Vertreter dieser Richtung genannt wurde, als jemand der, "ein Pastiche techno-kapitalistischer Werbemusik für ein Zeitalter der Computer und Taschen voller Apple-Geräte [lieferte]." Der Artikel ging der berechtigten Frage nach, ob Künstler des Vaporwave sich mit dem Kapitalismus kritisch oder schon im Zustand der Kapitulation widmeten. Samplebasierte Internetfetzen collagiert um im Lift des schon erwähnten Kaufhauses zu laufen. Besonders, wenn dieser gerade abstürzt. Worum es bei Vaporwave aber am allerwenigsten zu gehen scheint, ist Musik per se. Die "Message" ist hier stärker als das Medium. Vaporwave, wie auch der Name nahelegt, ist die Instrumentierung eines starken Bewusstseins von Vergänglichkeit.

Ein Haufen von Problemen

Das Bewusstsein dieser Vergänglichkeit, Eklektizismus, eine Faszination für Oberflächlichkeit – sind nicht nur Pfeiler dieses Stils sondern von Dekadenz ganz allgemein. Diese bringt gerne Kunstformen, wenn man so will, hervor, die ihrer Flüchtigkeit, ihrer Zeitlichkeit völlig bewusst ist, sie sogar in ihr Zentrum stellen.

Das sind auch alles Elemente, mit denen Al Qadiri auf ihrem Album spielt; dazu braucht es nicht mal das M.I.A-erprobte Geräusch vom Laden einer Waffe, das bei Al Qadiri, wie jeder Sound, den sie einsetzt, sehr viel bedrohlicher, sehr viel bewusster klingt, als es einem lieb ist. Das Album fühlt sich nach unsicheren Zeiten und einem Haufen von Problemen an, die jeden Moment am Horizont aufziehen könnten. Aber Al Qadiri schafft hier nicht nur ein temporäres, gefährliches Stimmungsbild der Zeit, das man als Artefakt der 2010er Jahre in einer Kuriositätenkammer der Zukunft finden wird, sie schafft erschreckend eingängige Musik.

Metapop

Diese schreit zwar lauthals: "Ich bin komplex", aber nicht laut genug um nicht ab und an von sich selbst übertönt zu werden, während sie im Club läuft. "Asiatisch" – (warum eigentlich ein deutscher Titel?) beschäftigt sich mit einem "imaginierten China", wie die Künstlerin in einem Pitchfork Interview erzählt. Diese zehn Tracks verbinden Kritik an medial geprägter Wahrnehmung fremder Kulturen, Kunstdiskurs und basslastige Clubnächte und verweisen dabei ständig auf diese Verbindung. Ein Konzeptalbum einer Konzeptkünstlerin. Dabei Musik per se. Verdächtiger Metapop. Und sehr gut.

"Asiatisch" erscheint am 5. Mai via Hyperdub, wo auch Acts wie Burial, Dean Blunt and Inga Copeland und der kürzlich verstorbene DJ Rashad veröffentlicht haben.

Die Autorin auf Twitter: @oidaamira

Bild(er) © 1: Valeria Cherchi, 2: Shanzai Biennial: Albumcover
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