Kartenhauskörper treibt das Geschichtenerzählen auf die Spitze und inszeniert mit »Perineum« ein musikalisch unterlegtes Hörspiel.
Kartenhauskörper, das Soloprojekt von und um Gregor Esra Sauer, macht mit einem dritten Album von sich reden. Die Vorläuferwerke »Wie konnten die Tage nur so sehr an Wert verlieren« (2014) und »Du riechst jedes Mal anders« (2017) tanzten leichtfüßig in poppiger Chanson-Manier mit gekonnt-gewähltem Sprachgefühl daher. Die neue Scheibe »Perineum« verschreibt sich nun voll und ganz dem Text. Quasi nach dem Motto: Tod dem Pop, es lebe das Wort!
Inspiriert durch die Ingeborg-Bachmann-Lesung von Autor und Musiker Peter Licht wählt Gregor Sauer die Form des Hörspiels als Rahmen für das neue Album. In der österreichischen Musikblase scheint dieses Format 2018 wohl hoch im Kurs zu stehen. Was beispielsweise Young Krillin und Crack Ignaz mit ihrem Album »Bullies in Pullis II« bereits in den Intermezzi-Teilen vorgemacht haben, wird bei Kartenhauskörper auf Albumlänge durchgezogen: Die neun Tracks sind in ein eigens konzipiertes Hörspiel eingebettet. Der Text dafür stammt aus Sauers und Luisa Gsaengers Federn, einsprochen wurde das Ganze von Gerhard Fillei und Mijal Bloch. Klingen Crack Ignaz und Young Krillin sehr nach einer Cloud-Rap-Gangsta-Version der Knickerbocker-Bande, hört sich »Perineum« im Gegensatz dazu eher nach Michael Ende an.
Vom viel zu langen Duschen
Die neun Nummern, die mehr an kurze Kapitel als formvollendete Songs erinnern, erzählen die fantastische Geschichte des Mädchens Tahina und des Löwen Pôle, die sich vor »etwa 70 Jahren in einem berühmten, fernen Land namens Montagnola« zugetragen hat. Eingebettet in fragmentarische Musikfetzen offenbaren sich auf »Perineum« Szenen der Freundschaft, der Liebe und von allem dazwischen – wie in »Teil 3 – Die Dusche«, in dem Tahina mit zu ausgiebigem Duschen den Löwen eifersüchtig macht.
Der Sound wird auf dem Hörspielalbum von Klavierklängen, Blechgeblase und einer vollends ausgeschöpften Streichinstrumentenpalette getragen – und irgendwo schreit ein raunzender Gregor Esra Sauer aus existentialistischen Leibeskräften: »Warum muss ich mich immer anstrengen, um irgendwas zu machen?« Mit »Perineum« verlässt Sauers Kartenhauskörper die bekannten chansongetränkten Popgefilde der vergangenen Alben und begibt sich mit seiner Audio-Inszenierung in experimentellere Gewässer. Funktionieren tut das als Gesamtkonzept, in das man im besten Fall während einer endlosen Duschsession versinkt.
»Perineum«, das dritte Album von Kartenhauskörper, ist am 31. März 2018 bei Sarah Bart Records erschienen.