Christoph Prager alias Minor Sick und Felix Wolfersberger alias Feux haben ihre Namen und ihre musikalische Arbeit vor rund zehn Jahren zu Mieux fusioniert. Nach einer Reihe von gemeinsamen Releases steht nun ihr Debütalbum »Rulers« beim Wiener Label Affine Records in den Startlöchern. Das Ergebnis ist ein ein Bouquet aus allen möglichen Spielarten elektronischer Musik. Im Interview sprechen die beiden über Genregrenzen, ihre musikalischen Einflüsse und ihre magische Art zu kooperieren.
Für euer Album habt ihr euch zehn Jahre Zeit gelassen. Darauf hört man zwar einen roten Faden, aber die Tracks sind doch auch mehr ihre eigenen Statements, als dass sie sich gegenseitig stützen würden. Wie passiert das in eurem Prozess?
Christoph: Es ist ja lustig: Unser alter Approach war es, im Abstand von zwei Jahren EPs als kleinere Häppchen zu releasen. Jetzt ist das modern, und wir machen ein Album – völlig gegen die Aufmerksamkeitsökonomie. Dafür haben wir uns länger Zeit gelassen.
Felix: Der rote Faden kommt daher, dass wir innerhalb einer gewissen Zeitspanne gearbeitet haben. Wir könnten auch nicht einfach zurückreisen und uns vornehmen, einen Track wie vor fünf Jahren zu machen, weil er grad reinpassen würde. Der große Bogen erstreckt sich auf zwei bis drei Jahre.
Christoph: Ansonsten ist unsere Produktion immer davon geprägt, was wir grad da haben – bestimmte Synths; und auf acht Tracks ist ein E-Bass zu hören, der bisher kaum vorkam. Wir machen dann halt die Musik, die dabei rauskommt. Mit No-go-Areas – einen Electro-Swing-Track wirst du von uns nicht hören.
Schade, damit lässt sich doch der Amadeus Austrian Music Award so gut gewinnen – mehrfach.
Christoph: Haha, ja, eben.
Felix: Wenn ich höre, was Menschen auf der Straße so hören, habe ich das Gefühl, dass sich Genres gerade ohnehin auflösen.
Dafür wird der Begriff des Pop laufend größer. Auch per Definition. Die Nischen verschwinden durch die Vereinnahmung der Verwertungslogik. War es eurerseits ein bewusster Schritt, ein Album zu produzieren oder ist das passiert?
Christoph: Wir haben den Ordner, in den wir reingearbeitet haben, »Mieux LP« genannt. Damit haben wir den Anfang gemacht und sind dann auch mit dem Anspruch, ein Album zu machen, zu Affine gegangen. Also war das wohl bewusst, aber an den Beweggrund erinnere ich mich nicht.
Felix: Ich glaub, wir haben uns gedacht, es wäre schön, ein Album zu machen.
Wo ging dann bei dem Album die ganze Zeit drauf?
Felix: Beim Warten, haha.
Christoph: Dass das Label von Anfang an auch in die Konzeption eingebunden war, hat das den Prozess um einiges verlängert und einige Songs wurden noch mal komplett überarbeitet. Aber dadurch wurde eben vieles auch besser. So hat es sich auch mit den Features mit Cadell und Laura Groves verhalten. Der Track mit Cadell war ursprünglich ein Instrumental. Jamal von Affine hat dann gemeint, der würde sich als Feature eignen und dann wurde auch daraus nochmal ein komplett neuer Track.
Also habt ihr auch da an der gemeinsamen Arbeit per Dropbox festgehalten?
Felix: Ja, wir können so einfach sehr gut arbeiten, aber natürlich klappt das auch gemeinsam in einem Studio. Aber ein gemeinsames Studio haben wir keines.
Deckt sich euer Approach als Solo-Artists mit der Arbeitsweise für Mieux?
Felix: Wir sind sehr lösungsorientiert und wenn etwas per Dropbox nicht funktioniert, dann fahren wir halt zu einander.
Christoph: Mieux ist für mich ein special place, weil wir uns unglaublich gut verstehen und gut auf die gegenseitigen Bedürfnisse eingehen können. Das ist auch der Schlüssel dafür, dass das so lange so gut funktioniert. Diese Art der Kooperation ist sehr besonders. Wir sind fast schon pathologisch-harmonisch. Die Features zuzulassen, war für uns als Band auch ein großer Schritt. Da kommt dann eben noch eine Kooperationsperson rein, für die dann alles passen muss. Aber wenn man damit gut umgeht, profitiert man davon.
Apropos Feautures: War es eine bewusste Entscheidung, dass beide aus London sind?
Christoph: Effektiv haben wir uns das nicht ausgesucht. Wir hören einfach viel Musik aus UK. Warum? Keine Ahnung. Aber da kommt einfach viel gute Musik her. Laura Groves verfolgen wir schon lange. Wir haben 2015 ein FM4-Gästezimmer gemacht und haben dort einen Track von ihr gespielt. Sie war ein dream pick von uns. Aber das hat nichts mit ihrer Herkunft zu tun. Cadell ist ein bissl anders gelaufen, aber da hat einfach dieser Grime-Stil gut auf den Track gepasst. Sollen wir sonst noch was Brexit-Kritisches sagen?
Bei euch geht es viel um Kooperation, aber ihr seid doch noch zwei eigenständige Musiker, die andere Inputs erleben. Wie bringt ihr das unter einen Hut?
Felix: Es ist einfach Magie.
Christoph: Eines muss ich schon sagen, wir machen definitiv keine Konsensmusik. Wir machen keine Musik des gemeinsamen Nenners, weil das wäre ständig die am meisten abgeschwächte Version der Ideen des jeweils anderen. Aber warum das so gut funktioniert – keine Ahnung. Wenn du uns die Tracklist vom Album herlegst, können wir nicht sagen, dass sich irgendwo Felix oder ich durchgesetzt haben. Es gibt keine Debatte, es funktioniert. Ich bin manchmal ein sehr egogetriebener Mensch und hab mit Mieux einen safe space gefunden, in dem das nicht notwendig ist.
Die unsichtbare Hand der Kooperation?
Christoph: Naja, dass du jetzt da niederschwellig die unsichtbare Hand des Marktes reinbringst, muss auch nicht sein.
Den Markt habe ich bewusst nicht erwähnt, das ist Blödsinn. Aber eure Antworten zeigen ja, dass der Zauber eurer Arbeit in der Kooperation liegt … Anyway, das Album heißt »Rulers«, der Pressetext war recht kryptisch. Geht’s jetzt um Herrschende oder um Lineale zur Vermessung?
Christoph: Hm, ja, darum geht’s ja, haha. Im Ernst: Auf Deutsch haben wir das ganz gut getroffen mit dem Begriff der Vermessungen. Das ist einerseits der Stab, mit dem wir unsere Beziehungen zueinander und zur Clubkultur vermessen, ohne zu sehr daran teilzunehmen. Gleichzeitig arbeiten wir uns aber auch an Autoritäten im Sinne von Genres oder sonstigen Kontexten ab. Da hat uns einfach irgendwann der Geistesblitz getroffen bei der Entscheidung – wieder einstimmig.
Ah, die unsichtbare Hand der Kooperation?
Christoph: Wir werden darüber nachdenken und uns irgendwann mit einem Essay dazu melden.
Das Album »Rulers« von Mieux ist heute, also am 10. September 2021, bei Affine Records erschienen.