Über die Empathie von Ulrich Seidl, ihren ersten Freund und ihr Gewicht erzählt Melanie Lenz im The Gap-Interview. Die Hauptdarstellerin des letzten Teils der Paradies-Trilogie „Paradies: Hoffnung“ von Ulrich Seidl.
Wie ist so eine Presse-Situation für dich? Welche Frage nervt dich am meisten?
Wie ich zu dem Film gekommen bin. Dann muss ich immer wieder die Casting-Geschichte erzählen.
Das ist leider auch einer meiner Fragen. Wie war das Casting in deiner Schule damals? Was musstet ihr vortragen?
Beim ersten Casting haben sie uns einfach nur gefilmt. Erst beim zweiten kamen verschiedene Schauspieler dazu, mit denen wir reden und tanzen mussten. Einmal gab es auch ein Casting mit Margarethe Tiesel [Hauptdarstellerin Paradies: Liebe, Anm.], wo ich mit ihr reden und streiten musste. Das war recht lustig. Nur bei einem Casting war Joseph Lorenz [Hauptdarsteller Paradiese: Hoffnung, Anm.] dabei. Da musste ich so tun als wäre die Kamera ein Spiegel und mich schminken. Er saß dabei hinter mir und beobachtete mich. Dann musste ich mich immer wieder zu ihm umdrehen und ihn dabei anhimmeln.
Welche Frage nervt dich noch?
Die Frage, die für mich am schwierigsten zu beantworten ist: Wie war die Zusammenarbeit mit Ulrich Seidl? Weil ich sie nicht so wie ein Erwachsener beantworten kann. Er sieht einen an und weiß einfach wie es einem geht.
In einem Interview erzählst du, dass Ulrich Seidl dich getröstet hat, wenn es dir nicht gut ging. Warum ging es dir da nicht gut?
Nur bei einer Szene, im Wald, weil wir sie extrem oft drehen mussten. Und als Joseph Lorenz mich tragen musste. Irgendwann konnte er nicht mehr, weil ich halt so schwer bin. Dann ist er hingefallen und alle haben gelacht und gekudert. Nach dieser Situation wollte ich nicht mehr weiter machen. Meine Mama hat mich getröstet und gesagt: „Komm, jetzt beiß nochmal rein. Einmal noch.“ Dann ist auch Ulrich Seidl zu mir gekommen und hat mich umarmt und mir versichert, dass alles ganz anders rüber kommt, als ich es empfinde. Er sagte ich schau bei jeder Szene extrem gut aus, und dass ich das gut mache. Das hat mich aufgemuntert.
Während des Castings und als der Film gedreht wurde warst du 13 Jahre alt. Wusstest du worum es in „Paradies: Hoffnung“ gehen wird?
Das Gerüst zum Film, also dass ich als Mädchen in einen Erwachsenen verliebt sein werde, habe ich gekannt. Aber wie die einzelnen Szenen ausschauen werden wusste ich nicht.
Waren die Szenen mit Joseph Lorenz für dich schwierig umzusetzen? Zum Beispiel als du ihm die Wange streichelst?
Nein, diese Szenen haben wir erst am Schluss gedreht, wo wir uns schon besser gekannt haben.
Ulrich Seidl hat erwähnt, dass Joseph Lorenz und du nicht viel miteinander gesprochen habt während der Dreharbeiten.
Ja, das war so. Ich war halt mit den anderen Kindern mehr beschäftigt als mit den Erwachsenen. Mit der Verena und mit der Hanna [Schauspielkollegen, Anm.]. Ich hatte auch kurz einen Freund dort beim Camp (lacht). Nach jeder Szene bin ich so schnell ich konnte in den Aufenthaltsraum. Jetzt erst bei der Berlinale haben wir richtig viel miteinander geredet. Er ist ein extrem lieber Mann.
Es gibt eine Szene im Film in der Disco, wo zwei junge Männer Verena und dich beim Tanzen beobachten und schlecht über eure Figur reden. Wie war das für dich?
Am Anfang hab ich schon gedacht: Die sind ja ur gemein. Sie waren nämlich hinter uns, hinter einer Glaswand und wir konnten alles mit anhören. Ich dachte, dass sie in Wirklichkeit vielleicht auch so gemein sind. Nach dem Dreh sind sie aber zu uns her gekommen und haben gesagt, dass sie in Wirklichkeit nicht so böse sind. Da wusste ich dann eh, dass sie nur geschauspielert haben.
Es gab aber eine Situation mit den Komparsen, die auch hinter den Jungs standen. Die haben blöd gelacht. Das war dann schon unangenehm.
In einem Interview sagst du, dass du deine Eltern dabei haben wolltest bei der Tanz-Szene.
Ja, meine Mama war da dabei. Ulrich Seidl hat sie während dem Dreh aber hinausgeschickt. Aber es war schön, dass sie da war und ich in den Pausen zu ihr gehen konnte.
Im wahren Leben ist es ja leider auch oft so, dass es Leute gibt, die zu Menschen mit ein bisschen Übergewicht gemein sind. Hattest du auch schon Erfahrung damit?
Ja, als ich kleiner war schon. Je älter ich werde, umso weniger fällt das aber auf. In der Schule gab es schon immer wieder blöde Meldungen. Über die habe ich aber irgendwann hinweggesehen. Ich habe meine Freunde und meine Familie, die mich nehmen so wie ich bin. Und das ist gut so.
Du hast schon Erfahrung mit Diätcamps, sagst du in einem Interview. Ist Abnehmen für dich noch immer ein Thema?
Ja, ich war schon einmal drei Wochen in einem Diätcamp. Ich bin immer wieder dran und nehm mir vor morgen oder übermorgen zu beginnen. Ich hab aber viel zu viel um die Ohren. Aber ja, abnehmen will ich schon.
Wie war das für dich so oft in Unterwäsche gefilmt zu werden.
Normal. Für mich war das so, als würde ich einen Bikini tragen. Die Verena war ja auch meistens im Bikini, also war das für mich nicht schlimm.
Ihr habt auch sehr offen über Sex gesprochen.
In unserer Generation ist Sex gerade mit 13 ein Thema. Der erste Kuss ist da schon lange vorbei.
Kennst du den Film „Lolita“? Weißt du worum es dabei geht?
Ich hab schon mal von dem Film gehört. Aber ich weiß nicht worum es da geht.
Kennst du Mädchen, denen es genauso geht wie Melanie im Film?
Nein, aber das wird es sicher geben. Aber für mich kommt es nicht in Frage, dass ich mich in einen älteren Mann verliebe.
Hattest du denn schon deine erste große Liebe?
Ja, vor kurzem habe ich Jahrestag mit meinem Freund gefeiert. Ich würd sagen er ist meine erste richtig große Liebe. Wir sehen uns jeden Tag und schlafen jeden Tag beieinander. Und er ist ein Monat jünger (lacht).
Denkst du heute mit deinen 16 Jahren anders über den Film als mit 13? Verstehst du ihn besser?
Seither ist ja noch nicht so viel Zeit vergangen. Ich seh das noch immer so wie damals. Es geht um ein Geheimnis und man weiß nicht wie es weitergeht. Beim Dreh hab ich mir jedenfalls nicht gedacht, dass der Film, so wie er jetzt ist, sein wird.
Hattest du vorher schon Schauspielerfahrung gesammelt?
Ja, in der Schule. Bei Elternabenden und Weihnachtsaufführungen hab ich im Theater mitgespielt und immer die Hauptrolle gekriegt. Das hab ich gern gemacht: auswendig Texte lernen und auf der Bühne stehen.
Wobei bei Ulrich Seidl keine Texte gelernt werden müssen oder?
Ja genau. Das fand ich eigentlich auch lustiger. Das war so wie ich mit meinen Freundinnen reden würde. Das war auf jeden Fall leichter, als nach Drehbuch.
Konntest du schon weitere Schauspielerfahrung sammeln?
Während der Berlinale hat sich ein Regisseur nach mir erkundigt. Ich weiß aber noch nicht wer das war. Eva Roth, unsere Casting-Leiterin, hat es mir erzählt.
Wird es einige in deinem Alter geben, die sich den Film anschauen werden?
Alle, die mich kennen, Freunde und Familie, wollen den Film auf jeden Fall sehen. Ich bin schon reserviert für 50 Kinobesuche (lacht).
Auch zum The Gap-Interview wurde Melanie von ihren Eltern begleitet. Sie haben verraten, dass sie sich in Schauspielschulen um einen Platz für Melanie umsehen werden.
„Paradies: Hoffnung“ feiert am 14. März während der Diagonale Premiere und startet am 15. März in den Kinos.