»Mother Loves You« ist eine kuriose und innovative Inszenierung einer Mutter-Sohn-Dynamik, die sein Publikum jedoch auch fordert: Wer nicht aufmerksam bleibt, könnte schnell den Faden verlieren.
Ein Tisch und neun Bildschirme empfangen einen, sobald man den Aufführungssaal betritt. Bühne und Schauspielraum wurden aufgelöst und neu zusammengesetzt: Sitzmöglichkeiten umrahmen einen dunkel beleuchteten Tisch, auf dem ein Frühstück angerichtet ist. Inmitten des Ganzen sitzt eine Frau, die von dem Essensangebot Gebrauch macht. Während der Aufführung kocht sie Kaffee, trinkt Sekt, bereitet Rühreier zu und erledigt alle Arbeiten, die man eben so um einen Küchentisch herum erledigt. Währenddessen läuft ein Film auf den neun Screens. Eine Szene, in neun verschiedenen Einstellungen, die alle genau jenen Tisch, der nun im Dschungel steht, in einer tatsächlichen Küche zeigen. Auf der Bühne entfaltet sich in vier Akten, die den Verlauf eines Tages widerspiegeln – Morgens, Mittags, Abends und Nachts – die ungewöhnliche Geschichte einer Mutter-Sohn-Beziehung. Von Anfang an ist die Dynamik zwischen den beiden herausfordernd: Die traditionelle Rollenverteilung der Fürsorge ist verwischt, Mutter und Sohn kümmern sich gegenseitig abwechselnd umeinander.
Zeit um jünger zu werden
Während der Tag fortschreitet, altert der Sohn, während die Mutter scheinbar jünger wird. Diese surreale Entwicklung wirft Fragen auf über die Vergänglichkeit von Zeit und die Veränderlichkeit der menschlichen Beziehungen. Doch gleichzeitig wird deutlich, dass eine Liebe zwischen Mutter und Sohn schön, schmerzhaft und komplex gleichzeitig sein kann.
Die innovative Inszenierung mit dem realen Küchentisch und den neun Screens schafft eine faszinierende und immersive Theatererfahrung. Durch die verschiedenen fürs Theater ungewohnten Eindrücke, wie den Geruch des frisch gekochten Kaffees, der am Tisch getrunken wird, oder das reale Zischen von Ei in der Pfanne, ergibt sich ein außergewöhnlicher Rahmen, um eine Geschichte zu erzählen.
Zu viel Konzept für zu wenig Zeit?
Diesem bemerkenswerten inszenatorischen Kniff hinkt die schauspielerische Leistung leider hinterher. Die Darsteller*innen scheitern daran, die Beziehung organisch darzustellen. Auch die musikalische Untermalung wirkt oft deplatziert und überfordert eher, als dass sie zur Stimmung beiträgt. Da die Handlung aufgrund der wechselnden Schauspieler*innen für die Alterungs- oder Verjüngungsprozesse, relativ mühsam zu entziffern ist, verliert man leicht den Faden, wer gerade auf den Screens dargestellt werden soll. An sich ist zu begrüßen, wenn Stücke, nicht jede Entwicklung und Wendung zum Verständnis der Zuschauer*innen vorkauen. Innerhalb des engen Zeitrahmens von einer Stunde scheint es jedoch schwierig, sämtliche Themen und die komplexe Handlung adäquat wiederzugeben. Die Aufführung hinterlässt dadurch einen unfertigen und überladenen Eindruck. Die kreative Inszenierung bietet zwar eine dynamische und immersive Erfahrung, doch die fehlende Klarheit beeinträchtigt den Gesamteindruck erheblich.
»Mother Loves you« ist noch bis 23. Mai im Dschungel Wien zu sehen und bietet – trotz Schwächen in der Darbietung – eine einzigartige visuelle und sensorische Theatererfahrung.
Dieser Text ist im Rahmen eines Schreibstipendiums in Kooperation mit dem Dschungel Wien entstanden.