Gender Gap: Exotik ist was für Bananen

Toni Patzak hakt dort nach, wo es wehtut. Diesmal erklärt sie, warum höchstens Früchte exotisch sind.

© Michael Schulte

Dieses Wochenende war ich wieder einmal exotisch für jemanden. Das passiert mir alle paar Monate, dass ich exotisch bin oder das »südliche Temperament« habe. Meistens sind es Männer, die mir mit verkniffenem Gesicht und aufgesetztem Lächeln sagen, dass sie mich exotisch finden. Ich hasse dieses Wort. Entgegen aller Erwartungen verbinde ich nämlich nichts Gutes damit. Ich verbinde weder Sonne, Sommer, Strand noch Kokosnuss-BHs mit diesen acht Buchstaben, sondern grausliche Männer und Chiquita-Bananen.

Wenn mich jemand so bezeichnet, fühle ich mich immer genau wie so eine Frucht. Eine Frucht, die aus fernen, unaussprechlichen Ländern über Wasser, Luft und Land in den Billa geliefert wird und dann im Regal wartet, bis sie jemand sieht, in die Hand nimmt, ein wenig an ihr herumdrückt, ob sie eh nicht angeditscht ist – und wenn sie den Test bestanden hat, mit nach Hause nimmt. Mir kommt es dann vor, als hätte ich einen Fruchtsticker auf meiner Stirn, auf dem draufsteht, aus welchem Land und von welcher Firma ich bin. So fühlt sich »exotisch« für mich an. Ich bin aber keine Frucht, die irgendwo overseas unter widrigen Arbeitsbedingungen angebaut wurde und dann nach Österreich kam, um hier ausgewählt zu werden. Ich bin aus Wien, und das Letzte, was ich will, ist, von irgend so einem Grabscher ausgesucht zu werden.

Das E-Wort

Exotisch ist deshalb eines der schlimmsten Wörter, weil die meisten denken, es wäre ein Kompliment. Beim N-Wort wissen die Menschen schon, dass es nicht mehr salonfähig ist – aber exotisch? Ha! »Das darf ich ja wohl noch sagen! Du bist mir nämlich gleich ins Auge gestochen – hier beim Dönerstand am Schwedenplatz, um drei Uhr früh. Zuerst die Haare – wow, darf ich die mal anfassen? – und dann noch diese Farbe. Hehe, jetzt hab dich nicht so, da merkt man dein südländisches Temperament ja sofort.« Um aus dem Song »Contagious« der großartigen Gruppe The Isley Brothers zu zitieren: »I’m about to catch a case.« Der Fall infrage: leichte Körperverletzung.

Dieses Wochenende war es aber einmal nicht ein halb angesoffener Typ am Schwedenplatz, sondern mein Masseur. Ja, richtig gelesen. Ein Mann, der mich für 45 Minuten halb nackt vor sich auf dem Tisch liegen hat, meinte in den ersten drei schon, dass ich nicht aussehe wie eine Patzak. Und auf meine etwas bestürzte Frage, wie denn eine Patzak aussieht, meinte er: »Ja, weiß eben, nicht so exotisch wie du.«

Da ich im Urlaub war und sicher, dass ich mein Geld nicht zurückbekommen würde, wenn ich mich jetzt einfach umdrehe und gehe, blieb ich. Die Massage war an sich gut, aber etwas unbequem, nachdem ich ihm konstruktive Kritik an seiner Wortwahl gab. Während ich da so lag, dachte ich mir, dass Patzak – mein Nachname, den ich von der Seite meiner Mutter geerbt habe, die aus Istrien stammt – eigentlich auch exotisch sein könnte. Die haben mehr Strand, Sonne und Kokosnuss-BHs als meine afrikanische Familie, die aus einer landlocked Region in Nigeria kommt.

Apropos: Woher kommt eigentlich dieses depperte Wort »exotisch«? Wie alle Wörter, deren Herkunft man googelt, stammt »exotisch« ebenfalls aus dem Altgriechischen. Es heißt so viel wie ausländisch oder fremd. Und wo Wörter wie fremd fallen, sind Konzepte wie Exotismus nicht weit. Besonders Schwarze Frauen werden, um ihr Fremdsein zu betonen, häufig exotisiert. Als »verruchte Naturschönheiten, deren Urkultur so frei und rebellisch ist«, spiegeln wir all das wider, was die exotisierende Gesellschaft nicht sein darf oder kann. Manchmal, wenn mich so ein Typ exotisiert, höre ich indirekt raus, was er an sich oder seiner Frau nicht hat:

»Die sind einfach ein wenig freier und näher zu Natur.« Übersetzung: »Das einzige Grün, das ich in meinem Leben habe, ist die drei Meter lange Hundezone neben dem Recyclingmüll in meiner Straße.«

»Deine Haut ist halt ganz anders als unsere.« Übersetzung: »Ich habe noch nie eine Schwarze Person angegriffen und würde sogar dafür zahlen.«

»Du bist mir einfach ins Auge gestochen mit deinen Haaren.« Übersetzung: »Mir wächst nix mehr als Wimmerl am Kopf.«

Auch wenn Exotisieren anfangs harmlos wirkt, ist es nur die erste Stufe einer Pyramide, auf deren Zenit dann Körperverletzung und Tod warten. Das klingt wie eine maßlose Eskalation, ist aber leicht zu erklären: Wenn wir als Schwarze Frauen exotisch und anders sind, dann sind wir logischerweise nicht wie die Österreicher*innen. Die Österreicher*innen verhalten sich nämlich anders als die Schwarzen Frauen – und deswegen verhält man sich auch anders ihnen gegenüber. Man weiß ja nicht ganz, wie die ticken. Man erschafft sich ein Bild über eine Gruppe, das mit Schlagwörtern bestückt ist, anstatt das Individuum sowie dessen Bedürfnisse und Meinungen zu sehen. Und wenn man eh schon weiß, was man über »diese Gruppe« denkt, dann muss man ihr auch nicht wirklich zuhören.

Harmlos zur Verharmlosung

Und hier wird es gefährlich. Denn wenn man einer Gruppe nicht wirklich glaubt oder zuhört, ihr stattdessen eine halbmagische Naturverbundenheit oder sonstige Klischees zuschreibt, dann kommt man beispielsweise als Schwarze Frau plötzlich in die absurde Situation, gefragt zu werden, ob man denn wirklich eine Hebamme brauche – man wisse doch bestimmt instinktiv, was beim Gebären zu tun sei. Um zu verhindern, dass dieser ideologische Selbstläufer einmal in Bewegung kommt, sag ich meistens etwas, wenn mir auffällt, was hinter solchen vermeintlichen Komplimenten steckt. Nur ist das ein Haufen Arbeit – unbezahlte Arbeit, die unangenehm und umständlich ist.

Hier, zum Schluss, formuliere ich eigentlich meistens einen Appell oder ein paar Zukunftswünsche. Heute nicht. Heute wollte ich einfach mal sagen, dass ich es satthabe, als etwas »Exotisches« gesehen zu werden – besonders dann, wenn ich halb nackt auf einer Massageliege liege. Und an dich, lieber Masseur: Ich find dich unsympathisch. Wirklich unsympathisch.

Toni Patzak organisiert diverse größere und kleinere Kulturevents, studiert Kultur- und Sozialanthropologie und setzt sich für die Aufarbeitung systematischer Diskriminierung ein – mit Fokus auf die Schwarze Community in Österreich.

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