»Ich denke, so einen tiefen und ehrlichen Einblick in das Innenleben meiner Familie würde man sonst nur bekommen, wenn man Familienmitglied wäre«, sagt Joachim Iseni, dessen mittellanger Dokumentarfilm »Fleischwochen« neu beim Kino VOD Club kostenlos zu sehen ist. Cinema Next hat dem Kunstuni-Linz-Studenten Fragen zu seinem sehenswerten ersten Dokumentarfilm gestellt, der die Fleischproduktion und Lebensbedingungen eines Familienbetriebs beobachtet.
Auf dem Bauernhof der Feichtmairs müssen alle anpacken. Vor allem während der Fleischwochen, wenn zusätzlich zur Landwirtschaft die Säue gestochen und verarbeitet werden. Die harte Arbeit ist kaum lukrativ, die 81-jährige Rosa will aber um jeden Preis an ihr festhalten, während die Tochter unter der Belastung ihres Doppeljobs zu zerbrechen droht. Als stiller, sensibler Beobachter zeichnet Joachim Iseni ein zwischen Roughness und Verletzbarkeit changierendes Bild des Generationenkonflikts im sich wandelnden Familienbetrieb.
»Fleischwochen« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.
Cinema Next: In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Fleischwochen«?
Joachim Iseni: Es handelt sich um einen Dokumentarfilm, bei dem ich eine Woche die Fleischproduktion auf dem Bauernhof meiner Familie begleitet habe. Man sieht zwar mitunter sehr genau, wie Fleisch produziert wird, aber der Film erzählt viel eher sehr direkt vom familiären Konflikt im Hintergrund und darüber, was die harte Arbeit mit den einzelnen Menschen auf dem Hof macht.
Wie war das für dich, Verwandte von dir zu porträtieren? Und wie war das für sie?
Beim Drehen war ich mir der damit einhergehenden Verantwortung noch nicht so sehr bewusst und erst Jahre später, als ich mich mit dem Schnitt beschäftigte, schwang die Angst mit, dass die ZuseherInnen von den einzelnen Verwandten im Film ein falsches Bild bekommen könnten, denn natürlich kann ein Film die Realität niemals in seiner Gesamtheit abbilden. Es war daher gar nicht so einfach, alle Personen in der Familie zu überzeugen, dass Projekt nun auch online zu präsentieren. Ich möchte mich deshalb an dieser Stelle auch nochmal bei allen Familienmitgliedern bedanken, denn es gehört sicher viel Mut dazu, so viel von einem selbst in der Öffentlichkeit preiszugeben.
Im Film wird frisches, regionales Fleisch aus einem Familienbetrieb sehr günstig verkauft. In der Coronakrise war die Versorgungssicherheit großes Thema und rückte die »systemrelevanten Nahversorger« in den Fokus. Eine Genugtuung für eine oft zermürbende und wenig lukrative Arbeit?
Es hat mich schon gefreut, dass kleine regionale Betriebe plötzlich von einer breiten Masse als wichtig erachtet wurden. Die Krise hat den wahren Wert von einigen Produkten, Betrieben und Systemen sichtbarer gemacht, und wenn das nun auch zu mehr Wertschätzung führt, wäre das natürlich optimal. Ich würde mich freuen, wenn »Fleischwochen« diesbezüglich ein wenig zum Reflektieren einlädt, denn die gesellschaftliche Geringschätzung ist ein wichtiges Thema im Film.
Dein Film verliert sich nicht in einer Ästhetisierung, die Bilder sind sehr direkt und rauh. Gab es für dich Vorbilder oder Vorgaben, wie du den Film gestalten willst?
Ich hatte eigentlich kein richtiges Konzept. Das Filmmaterial wurde 2014 gedreht und damals kannte ich noch kaum gute Dokumentarfilme und ich war zu dieser Zeit eher damit beschäftigt, Skateboardvideos zu drehen. Ich habe versucht, diese sogenannte »Fleischwoche« dokumentarisch festzuhalten, indem ich mich mit der Kamera an die Personen und die jeweiligen Situationen angepasst habe. Etwas Übung hatte ich zwar durch das viele Filmen an den Skatevideos, aber sehr viele Aufnahmen sind mir dabei dennoch misslungen, weshalb sich die Schnittarbeit als schwierig umsetzbar herausgestellt hat. Erst 2018 konnte ich den Film im Rahmen eines Semesterprojekts an der Kunstuniversität in Linz abschließen. Neben den dort von Wolfgang Widerhofer abgehaltenen Vorlesungen über Montage haben mich dann im Schnittprozess vor allem die Filme »Der siebente Kontinent« von Michael Haneke und »Über die Jahre« von Nikolaus Geyrhalter inspiriert.
»Fleischwochen« ist eine besondere dokumentarische Erfahrung. Welche Reaktionen kriegst du vom Publikum?
Das Feedback war meist positiv, aber es gibt natürlich auch Leute, die den Film überhaupt nicht mögen. Das liegt neben anderen Dingen wohl auch an der sehr explizit dargestellten Schlachtszene, denn bei den Screenings auf Festivals gab es da immer wieder Leute, die den Saal verlassen haben. Die Szene fungiert für mich als unbequeme, aber wichtige Wahrheit, um die Atmosphäre auf dem Hof und die einzelnen Protagonistinnen und Protagonisten zu verstehen und um selbst eine Haltung über die Gesamtsituation einzunehmen. Der Film hält sich aber nicht lange mit dieser Schlachtszene auf und wer es wirklich gar nicht aushält, soll kurz die Augen zumachen.
Welches ist deine Lieblingsszene in »Fleischwochen« und warum?
Es gibt eine Stelle, wo meine Großmutter die Katzen füttert. Sie geht dabei in den Hof und ruft: »Muli, Muli, Fleischi!« Das macht sie immer so und ich fand das schon als Kind lustig und interessant. Ich glaube, ihr selber gefällt diese Szene eher weniger, aber für mich porträtieren diese Aufnahmen meine Oma sehr genau. Sie ist ja für ihr Alter immer noch sehr stark und generell ist sie ein sehr hartes und anstrengendes Leben gewöhnt, aber gleichzeitig zeigt sie uns hier ihre wohlwollende und zärtliche Seite. In dieser Gesamtheit nehme ich sie auch sonst wahr.
Für die, die jetzt immer noch überzeugt werden wollen: Gibt in einem Satz eine Empfehlung für deinen Film ab!
Ich denke, so einen tiefen, ehrlichen und direkten Einblick in das Innenleben meiner Familie würde man sonst nur bekommen, wenn man Familienmitglied wäre.
Eine Interviewreihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.