Musikmachen in Zeiten von Corona – Die wichtigsten Online-Tools

Die Corona-Krise und die wegen ihr getroffenen Maßnahmen machen es Musikschaffenden aktuell unmöglich, ihren Haupttätigkeiten – nämlich Konzerte zu spielen, gemeinsam face to face zu musizieren oder Unterricht zu geben – nachzugehen. Sie sind angehalten, wie alle anderen auch, soziale Distanz zu wahren. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht trotzdem gemeinsam Musik machen und an Produktionen arbeiten kann. Rainer Praschak von mica – music austria hat hier ein paar nützliche Dienste aufgelistet, die das Zusammenarbeiten übers Internet ermöglichen und erleichtern.

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Vorab etwas Grundsätzliches, und zwar zum Thema Datenschutz: Bei der Verwendung von Web-Tools gilt es zu bedenken, dass Dienste, deren BetreiberInnen sich innerhalb der EU befinden, strengeren Gesetzen der Daten- schutzverordnung unterliegen als andere. Dienste von AnbieterInnen außerhalb der EU sind daher stets mit größerer Vorsicht zu betrachten, da deren Geschäftsmodell, vor allem im Free-Use-Bereich, meistens auf die Sammlung und Indizierung jeder Art von NutzerInnendaten in Verbindung mit der Monetarisierung selbiger hinausläuft.

Die gemeinsame Jamsession

Durch die Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 sind neben den abgesagten Veranstaltungen auch die Möglichkeiten zum gemeinsamen Musizieren, für Proben oder einfach nur für Sessions sehr eingeschränkt. Hier empfiehlt es sich, die aktuellen Entwicklungen – im Speziellen die Situation mit Proberäumen und anderen Orten zur kreativen Entfaltung – zu beobachten. Kein Online-Service kann die Emotionen und die Stimmung ersetzen, die beim gemeinsamen Musizieren in einem Raum entstehen. Es existieren einige Dienste, die es ermöglichen, auch in der Zeit der Isolation gemeinsam zu musizieren und sich mit anderen Musikschaffenden digital zu vernetzen.

Die meisten Dienste, die wir zur alltäglichen Kommunikation verwenden, sind wegen zu hoher Latenz (Verzögerungszeit des Datenaustausches) ungeeignet. Voraussetzung für die gemeinsame Jamsession im Internet sind eine gute Qualität und die ausreichende Schnelligkeit der Datenverbindung, um tatsächlich in Echtzeit miteinander Musik machen zu können. Eine schnelle stabile Internetverbindung, idealerweise eine Standleitung (LAN), das entsprechende Programm und an den Computer angeschlossene Instrumente sind notwendig, um loszulegen.

Die bekanntesten Plattformen sind Jam Kazam, Sofasession und Jammr. Jammr bietet wirklich nur das Notwendigste an, aber das funktioniert sehr gut. Sofasession wird direkt aus dem Browser bedient und der Funktionsumfang ist wesentlich größer als bei Jammr. Es gibt eine aktive Community und mittels sozialer Funktionen kann es sein, dass man sich plötzlich in einer Session mit anderen Musikschaffenden aus den unterschiedlichsten Ländern befindet.

Ähnliche Funktionen und Möglichkeiten bietet Jam Kazam. Die anderen MusikerInnen werden per Videostreams nicht nur gehört, sondern auch gesehen. Die meisten Plattformen bieten an, dass die Musik – auch als Einzelspuren – gespeichert und im Anschluss gemeinsam weiterbearbeitet werden kann. Für MusiklehrerInnen bietet JamKazam auch eine eigene Online-Plattform namens »Jam Class« speziell für den Online-Unterricht. Auch Doozzoo ist eine spezialisierte Lösung für Online-Musik-Unterricht.

Wer größeren Aufwand nicht scheut und technikaffin ist, kann mit Hilfe von Open-Source-Software virtuelle Sessions selbst hosten. Die Ergebnisse mit Open-Source-Programmen wie Jamulus oder Jamtaba sind oft zufriedenstellender als bei Jam Kazam und den anderen Apps bzw. Diensten. Anleitungen und Informationen sind im Netz leicht auffindbar.

Livestreaming

Livestreams aus der Wohnung oder der lee- ren Location sind momentan eine der wenigen Möglichkeiten, ein weitaus größeres Publikum als die Familienmitglieder oder die MitbewohnerInnen zu erreichen. Dienste wie Caffeine, Crowdcast, Moment House, StageIt oder Streamlabs bieten Features an, mit denen Tickets oder Abonnements für Livestreams verkauft werden können. Mit Broadcasting-Programmen wie Restream oder OBS Studio können Livestreams zeitgleich auf verschiedenen Plattformen wie Twitch, Facebook, Youtube oder Mixer verbreitet werden.

Kollaborative Software für DAW-BenutzerInnen

Plug-ins wie Steinberg VST Connect für Cubase oder Avid Cloud Collaboration für Pro Tools bieten die Möglichkeit, auch online mit der gewohnten Produktionssoftware/Digital Audio Workstation (DAW) zu arbeiten. Diese Tools eignen sich hervorragend, um an entfernten Standorten gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten und beinhalten auch die Möglichkeit über Video zu chatten. Avid stellt – wie viele andere AnbieterInnen auch – in der aktuellen Situation seine Angebote vergünstigt oder für einen bestimmten Zeitraum kostenlos zur Verfügung.

Kollaborative Plattformen und Apps zum Musikmachen

Die Zahl der Apps, mit denen gemeinsam an Projekten gearbeitet werden kann, wird immer größer. Eine einfach zu bedienende kollaborative Plattform ist Soundtrap (im Besitz von Spotify), eine robuste, moderne DAW, die vollständig online läuft. Ursprünglich zum Erstellen von Podcasts gedacht, ist dieser Dienst, der über ein Abo-Modell bezahlt wird, eine einfache Lösung, um Musik aufzunehmen und Beats zu produzieren. Soundtrap ist browserbasiert mit einer leicht verständlichen Benutzeroberfläche und so für AnfängerInnen und gelegentliche NutzerInnen ein guter Einstieg.

Eine andere Online-DAW mit mehreren Millionen Usern ist BandLab. Es wird damit geworben, MusikerInnen ein komplett kostenloses Rundum-sorglos-Paket für Laptops, Tablets und Smartphones anbieten zu können. Trackd ist eine weitere kostenlose Social-Music-App (für iOS-BenutzerInnen) mit angeschlossener Community, die »schnelles, einfaches und hochgradig kollaboratives« Musizieren in Echtzeit ermöglicht. Bei Soundstorming, ebenfalls eine App, kann man zwar nicht in Echtzeit miteinander Musik machen, aber eine globale Community von MusikerInnen kann sich einbringen, brainstormen und an den hochgeladenen Songs mitarbeiten. Kompoz wiederum ist ein soziales Online-Netzwerk, das für Musikschaffende entwickelt wurde, um Songs mit anderen MusikerInnen aus der ganzen Welt zu erstellen. Seit über einem Jahrzehnt wird in diesem Netzwerk über Werke diskutiert, Feedback eingeholt und an gemeinsamen Projekten gearbeitet.

File-Sharing-Dienste

File-Sharing-Dienste wie Dropbox, Wetransfer und Google Drive werden von vielen Musikschaffenden und ProduzentInnen genutzt und eignen sich gut zum Teilen von Projekten. Bounce Boss erleichtert den Austausch von Audiodateien mit anderen über das Internet. Es ist damit zwar keine Echtzeit-Kollaboration möglich, man kann dem virtuellen Gegenüber jedoch Kritik und Feedback hinterlassen. Außerdem kann man verschiedene Versionen eines Tracks hinterlegen, um diese zu vergleichen.

Pibox Music und Splice gehen dabei noch ein Stück weiter. Splice Sounds ist die vielleicht größte Sammlung benutzergenerierter Samples und Loops im Internet. Man kann seine DAW-Projekte mit dem Studio-Feature von Splice speichern. In der Community kann man mit anderen NutzerInnen zusammenarbeiten und Projekte austauschen. Es gibt auch die Möglichkeit, an Remix-Wettbewerben auf der Plattform teilzunehmen.

Pibox Music wiederum wurde speziell für die Zusammenarbeit mit anderen MusikerInnen entwickelt. Live-Chat, Screen-Sharing, Kommentare mit Zeitstempel und die Historie der Mix-Versionen sind nur einige Beispiele für die Möglichkeiten, die der Dienst bietet. Die Plattform ist zudem ein geeigneter Ort, um sich mit MusikerInnen aus anderen Erdteilen und Genres zu vernetzen.

MusikerInnensuche

Diese Plattformen sind für alle interessant, die nach professionellen MusikerInnen, TontechnikerInnen für Mixing und Mastering oder anderen Music Professionals suchen, um sie für die Mitwirkung am eigenen Projekt zu gewinnen. Soundbetter ist ein Marktplatz, um Dienstleistungen – wie z. B. Mixing oder Mastering – von etablierten ProfessionistInnen zu erwerben. Tunedly ist vernetzt SongwriterInnen, SängerInnen und andere Musikschaffende mit Session-MusikerInnen. Ähnliche Angebote sind auch auf den Plattformen Air Gigs, Studio Pros, Audiu oder Melboss zu finden.

Dieser Artikel ist Teil einer Content-PartnerInnenschaft mit mica – music austria. Das österreichische Musikinformationszentrum ist dein professioneller Partner bei allem, was mit Musikschaffen in Österreich zu tun hat. Hier gibt es kostenlose Beratungen und Tipps von ExpertInnen, die dabei helfen, sich im Musikbusiness zurechtzufinden.

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