Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald.
Levin Goes Lightly – »Nackt«
Beachtenswert: Levin Stadler, der – Achtung schwierig und auch amüsant: »deutsche Ziggy Stardust« –, singt jetzt auf Deutsch. Die ersten drei Alben, das letzte davon war »GA PS«, das 2017 via Staatsakt erschien, zeigten mit unterkühltem Wave auf, die inszenierte Starfigur – auch namentlich angelehnt an Holly Golightly – schaffte durchaus den Einzug in die Hörgewohnheiten der urbanen Adoleszenz. Wenngleich das Soloprojekt nun eine Gruppenarbeit ist, Mitglieder von Wolf Mountain und den superben Human Abfall runden die Sache ab, bleibt sich Levin Goes Lightly auch auf dem neuen Album »Nackt«, das bei Tapete – auch ein Fingerzeig – erscheint, treu. Der Titel, eine Anspielung auf die Sprache, auf das Sich-Nicht-Mehr-Verstecken-Können hinter dem Englischen, wird dabei spätestens im Titelsong demaskiert: »Keine Angst, du bist nicht nackt / Du bist nur ungeschminkt.« Vor öffentlicher Entblößung muss sich Stadler aber ohnehin nicht fürchten: »Nackt« offeriert zeitgemäßen, supertrendigen Wave-Pop, zwischen englischen Vorbildern und den ganz coolen der Neuen Deutsche Welle. Sehr stark!
»Nackt« von Levin Goes Lightly erscheint am 26.4..2019 via Tapete. Leider keine Österreich-Termine.
Vögel die Erde essen – »Die goldene Peitsche«
Man verzeihe das Wortspiel, aber: Vögel die Erde essen schießen seit jeher den Vogel ab: Als eine der am schwersten einzuordnenden Gruppe überhaupt sprechen die drei Berliner, die noch dazu als Supergroup zu gelten haben – ihre Mitglieder kennt man u.a. von Die Tentakel von Delphi, Wælder oder Mighty Oaks –, ein breites Spektrum an sich für Musik Begeisternde an: Von Krautrock bis handelsüblichem RnB, von Punk bis Pop, von Genre A bis Genre Z. Wenn jemand »Querbeet« sagt, empfiehl ihm bitte diese Gruppe. Dass mit dem zweiten Album »Die goldene Peitsche« noch ein paar Anleihen dazu kommen, war fast zu erwarten: Nun ist es Surf, Cloud-Rap (siehe Video unten), Stadion-Rock und haste nicht gesehen, aber vor allem: Funk. Das erinnert durchaus an etwa Die Türen. Dieses Kaleidoskop an vertrackten und gleichzeitig groovigen Rhythmen, einer ansteckenden Quirligkeit im Spiel und textlich weirder Grandezza macht auch das neue Album zu einem Mixtape voller Höhepunkte. Man weiß zwar nicht immer, wo oben und unten ist, man will aber ständig mittendrin sein.
»Die goldene Peitsche« von Vögel die Erde essen erscheint am 12.4.2019 via Kreismusik. Keine Österreich-Termine.
Auletta – »Auletta«
Auch interessant: Die Gruppe Auletta, die man noch von dem, was man früher »Indie-Party« genannt hat, kennen könnte, meldet sich nach Jahren aus der popkulturellen Versenkung zurück. Nach den sogar gecharteten Alben »Pöbelei & Poesie« sowie »Make Love Work«, voller tanzbarem Gitarrenrock, angesiedelt zwischen, sagen wir: Angelika Express und Madsen, ist die Rückkehr nach 8 Jahren ganz zeitgemäß: Das neue Album ist selbstbenannt – üblicherweise macht man das so nach einer Pause –, wurde nicht nur in Eigenregie aufgenommen und erscheint auf dem eigenen Label, sondern wurde auch via Kickstarter realisiert. Es fanden sich genügend alte Fans und Unterstützer, welche den Schritt der Gruppe somit auch legitimierten. Und sie bekommen das, was sie wollten: Treibenden Indie-Rock, der zwar ein bisschen aus der Zeit gefallen wirkt, aber dennoch durchwegs solide ist: Saubere Handarbeit mit Gespür für Melodien, wenig Polarisierendes in den befindlichkeitsorientierten Texten – das ist ein Kompliment° – und durchgängig kreative Ideen.
»Auletta« von Auletta erscheint am 12.4.2019 via Auletta. Keine Österreich-Termine.
Ulf – »Es ist gut«
Northern Punk vom Feinsten: Wenn die Hamburger Gruppe Ulf mit »Es ist gut« endlich ihr Langspiel-Debüt veröffentlicht, darf man ruhig fragen, was da solange gedauert hat: Bereits 2016 erschien die sehr gut benannte EP »Vier gute Lieder«, die – wie jetzt auch das Album – schon einmal alle positiven Alarmglocken schrillen lassen dürfte: Wer sich auf die Großtaten von Turbostaat, Love A oder Captain Planet versteht, wird sich auch mit »Es ist gut« auseinandersetzen müssen. Man kennt es: Hoheitlicher Post-Hardcore-Post-Punk, changierend zwischen Melancholie und Hoffnung, zwischen Beschissenheiten und ganz okayen Erlebnissen. Ulf verstehen sich dabei aber nicht nur als Kopiermaschinen, sondern ergänzen die Blaupause mit durchaus tanzbarer Note und sind dabei musikalisch äußerst pointiert, hier sitzt jedes Riff und jeder Ton an der richtigen Stelle. Auch spannend: Wie bereits »Vier gute Lieder« erscheint auch das Album auf dem sehr guten, weil auch sehr wählerischen, Label My Favourite Chords, auf dem etwa auch letzten Herbst das hier sträflich vernachlässigte »Aus Wachs« von Kaufmann Frust erschien.
»Es ist gut« von Ulf erscheint am 12.4.2019 via My Favourite Chords. Keine Österreich-Termine.
Van Holzen – »Regen«
Die drei Schwaben mit der seit jeher düsteren Inszenierung haben in jungen Jahren schon so manches erlebt: Mit 16 erscheint das Debüt, direkt bei einem Major, die Gazetten hyperventilieren und rufen große Vergleiche hervor zu Queens of the Stone Age, Biffy Clyro und so ziemlich jeder – wie sie es dann nennen – »Alternative Rock«-Formation, deren Gitarren quasi per Definition Bretter in die Stadionlautsprecher schmeißen. Dennoch, und das muss man mit diesem Alter können – wobei ja Musik keine Frage des Alters, sondern eine Frage des Stils ist, aber das würde hier jetzt zu weit führen –: Van Holzen bleiben ihrer musikalischen und ästhetischen Ausrichtung gewogen: Auch das zweite Album, wieder bei einem Major (lief also wohl gar nicht so schlecht), Van Holzen sind jetzt schon volljährig, bietet ebenjenen fast schon klassischen Alternative Rock, gerade »hart« genug für wirtschaftliche Vermarktbarkeit, mit Botschaften für die Generation Z – oder wie man sie gerade nennt –: die Qual der Wahl, immer vernetzt, aber nie verbunden. Das hat was.
»Regen« von Van Holzen erscheint am 26.4.2019 via Warner. Österreich-Termin: 29.11.2019 Wien, Arena Dreiraum.