Muttersprachenpop – die wichtigsten Veröffentlichungen im Dezember 2017

Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald.

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© © Benjamin Schieck

Die Mausis – »Die Mausis« (EP)

© Benjamin Schieck

Die schönsten Menschen des deutschen Pops – die wunderbare Stella Sommer von Die Heiterkeit und Max Gruber alias Drangsal – sind ja an sich schon recht erfolgreich. Drangsal verzauberte 2016 mit »Harieschaim« Damen- und Bubenherzen landauf, landab, »Pop & Tod I & II«, das Doppelalbum von Die Heiterkeit überzeugte auf ganzer Linie. Dass die beiden mausgezeichneten Künstler nun mit »Die Mausis« ihre erste 10“ als ebenjene Mausis veröffentlichen, darf als Segen verstanden werden. Insbesondere die drei deutschsprachigen Stücke »Was kann ein Mausi dafür«, »Die Farbe Grau« und »Mausis mögen keine Katzen« – daneben gibt es noch das Agent Orange Cover »Everything Turns Grey« begeistern mit intelligentem Humor, die beiden maußergewöhnlichen Stimmen – wobei hauptsächlich Sommer – harmonieren perfekt und runden den Schlaumeier-Pop mit ihrer persönlichen Note ab. Dass Max Rieger (»Die Nerven«, »All diese Gewalt«) produziert hat, spricht maußerdem für eine Anschaffung der formschönen, grau gehaltenen 10“. Kann man auch gut zu Weihnachten verschenken, bringt ein bisschen Farbe in die triste Weihnachtsdepression.

»Die Mausis« von Die Mausis erschien bereits am 3. November 2017 via Buback.

 

Fjørt – »Couleur«

@ Andreas Hornoff

Auch hier ist diese Kolumne etwas spät dran. Aber das dritte volle Album der Aachener Post-Hardcore-Gruppierung zu vergessen, wäre dann doch ein Versäumnis sondergleichen. Erschienen auf dem 2017 ohnehin sehr umtriebigen Grand Hotel van Cleef, zeichnet »Couleur« den Weg Fjørts zur Speerspitze des deutschen Post-HC – funny Einschub: nicht zu verwechseln mit dem österreichischen Post-HC, dem Utopia nach der nächsten Nationalratswahl. Magazin-Cover, Spotify-Heavy-Rotation, ausverkaufte Riesenhütten, Chartsplatzierung. Da ist Kohle dahinter, die aber gut investiert ist. Treibend, beklemmend, poetisch, das sind  dieAttribute, denen »Couleur« jederzeit gerecht wird. Natürlich erinnert das ständig an die Großtaten von Turbostaat, da kommt man aber in dem Genre wohl nie vorbei. Dass das nun etwas – Schimpfwort, ey! – »poppiger« ist, dass es ein bisschen »Sell-Out« ist, kann man aber auch nicht sagen. Kann man auch gut zu Weihnachten schenken, der mittelalte Post-Hardcore-Rotzlöffel freut sich zurecht. Mama und Papa vielleicht auch.

»Couleur« von Fjørt erschien bereits am 17. November 2017 via Grand Hotel van Cleef. Am 24.1.2018 gastieren Fjørt im Chelsea Wien.

 

Flowerpornoes – »Red’ nicht von Straßen, nicht von Zügen«

© Flowerpornoes

#2, #32. Zahlen, Fakten, Daten. Fade Adressaten interessieren sich dafür, brauchen objektive Beweise, warum etwas gut sei. Umfragen stützen die Meinungsbildung. Ja, das legendäre 1994er Album der Gruppe um Tom Liwa »Red’ nicht von Straßen, nicht von Zügen« wurde zum zweitbesten deutschsprachigen Pop-Album vom »Musikexpress« und zum 32.-besten deutschen Album vom »Rolling Stone« gewählt. Das heißt aber tendenziell nur etwas, nicht alles. Richtig verstehen kann man es eh nur, wenn man sich mit dem Album zusammen- und auseinandersetzt, es sich ganz an sich ranlässt, versucht loszulassen, nur um einzugestehen, dass man es nicht kann. Für diese Momente, in denen die Sanftheit der Stimme, die naiv-amourösen Texte und der präzise Indiepop, ist nicht nur das zentrale Werk der Flowerpornoes, sondern eigentlich auch für Vinyl gemacht. Man darf es den hässlichen 90ern anmaßen, dass es das Album noch nicht auf schwarzem Gold gab. Dass jetzt – schon wieder – Grand Hotel van Cleef eine Vinyl-Version mit sieben Bonus-Stücken herausbringt, darf als längst überfällig begriffen werden. Kann man auch gut zu Weihnachten verschenken, aber nur, wenn man das Album bereits hat. Denn zum Verschenken ist es eigentlich viel zu schade. Famos!

Die erstmalige Vinyl-Veröffentlichung von »Red’ nicht von Straßen, nicht von Zügen« von Flowerpornoes erscheint am 15. Dezember 2017 via Grand Hotel van Cleef.

 

Hobby – »Hobby« (EP)

© Hobby/Zeitstrafe

Auch immer gut: Das sympathische Hamburger Label Zeitstrafe, das heuer bereits mit »Belgrad« der gleichnamigen Band ein Album des Jahres veröffentlicht hat. Hobby – Motto: »Die Band ist kein Hobby.« – veröffentlichen dahingehend erstmal ihre Debüt-EP. Die drei Berliner klopfen dabei authentischen deutschsprachigen Punkrock in die schwarzen Rillen, ein bisschen Bella Italia ist auch dabei, etwa im bislang stärksten Stück »Capri-Sonne«. Die vier Songs – natürlich darf keines länger als 2:45 sein – bleiben im Kopf, nisten sich dort ein und schreien sich Stück für Stück bei Gelegenheit heraus. Hobby erinnern dabei an Pascow, auch sprachlich: »Mit dem Rad durch Afrika / spendet auf meinem Crowdfunder / to raise awareness for the poor / #rausindienatur«, heißt es da eindrucksvoll. Kann man auch gut zu Weihnachten verschenken, an den Top-Checker im Freundeskreis. Weißt eh, den von der Kapuzenpolizei.

Die 7“ »Hobby« von Hobby erscheint am 15. Dezember 2017 via Zeitstrafe.

AUSSERDEM ERWÄHNENSWERT:

Helmut Cool – »Schlachtrufe BRD Gmbh« (VÖ: 24. November 2017)

Immer lustig, aber auch schwierig: Wortspiele im Bandnamen. Im Deutschpunk aber fast schon ein bisschen Pflicht. Und auch die offensichtliche Anspielung auf die legendäre Szene-Compilation macht Sinn. Helmut Cool aus Stuttgart erfinden auf ihrem Debüt-Album das Rad gewiss nicht neu, reduzieren ihr Genre aber gekonnt auf das Wesentliche: 1-2-3-Punk gegen Deutschland und den Rest der Welt, humorvoll-sarkastisch – sehr formschön: »Bachelor of Hartz« –, eingängig und kompromisslos. Ein Blick lohnt sich auch auf die Facebook-Seite. Nicht jede Band hat eine eigene Comic-Reihe. Die kann man zwar nicht zu Weihnachten verschenken, die Platte aber schon.

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