Es ist Halloweenabend im Wiener Haus der Musik, eine Schweizer Band bespielt im Rahmen ihres Österreich-Debüts den Veranstaltungssaal. Die Stimmung ist gruselig prickelnd, was durch das sitzende Publikum verstärkt wird. Warum der Saal bestuhlt ist, weiß keiner, am Ende pfeift aber auch jeder drauf. Das war kein herkömmliches Konzert, das war ein Entwicklungsroman aus der Romantik, oder ein Schubert´scher Liederzirkel, passend zum Schauplatz. Juliane Fischer hat sich im Anschluß mit My Heart belongs to Cecilia Winter auf die Winterreise zum Album-Urspung gemacht.
So nah und doch so fern: Ihr stammt aus der Schweiz und habt es heute zum ersten Mal nach Österreich geschafft. Mir kommt vor, in der schweizerischen Musikwelt scheint sich momentan generell viel zu regen. Geht die Schweiz mehr aus sich heraus?
Thom: Ja, die schweizer Musikszene macht Riesensprünge im Moment. Man merkt, dass da was Neues los geht. Das hat mit Sophie Hunger und Bonaparte angefangen und ist im Moment wirklich gerade eine gute Schiene. Bisher ging es nicht über die Grenze hinaus, das ist jetzt anders.
Innerhalb der Schweiz war das bisher immer schon gut vernetzt?
Thom: Ja, schon. Sehr viele Clubs, Förderung und gute Vernetzung.
"Switzerland is a hell without a fire", singt ihr einem eurer Lieder. Wie ist das zu verstehen? Wie steht ihr als Band zur Schweiz?
Thom: Heimat ist immer ein ambivalentes Thema. Gerade was die Schweiz angeht,die für mich eine Mischung aus Disneyland, Wallstreet und Bauerndorf darstellt. Wenn man lange in der Schweiz ist, kriegt man die “richtige” Welt nicht ganz korrekt mit. Die Schweiz ist eine kleine Traumwelt. Ich bin sehr lange nicht aus dieser Traumwelt hinausgelangt. Das ist schon ein seltsames Gebilde, diese Schweiz.
Markus: Andererseits ist die Schweiz schon auch faszinierend, wenn man an die Sprachenvielfalt denkt und die unterschiedlichen Seiten der Schweiz, die uns bei der Konzerttour durch das Land so richtig bewusst wurden. Diese seltsamen Zwischenräume zwischen den unterschiedlichen Blickwinkel des Landes sind auch irgendwie gut und bewirken Feinstoffliches in jeglicher Art von Kunst. Jede Band wird geprägt von der Umgebung. Sigur Rós klingen isländisch und Schubert klingt österreichisch.
Zwischen dem Live-Auftritt, der Performance und der Aufnahme gibt es große Differenzen.
Thom: Das erste Album spielen wir schon lange live und mit diesen vielen Konzerten hat sich das so ein bisschen aufgeladen. In der Schweiz und in Frankreich haben wir auf großen Festivals gespielt, da ist die Anforderung eine andere auf der großen Bühne. Vor sitzendem Publikum haben wir schon länger nicht mehr gespielt. Das war wieder etwas anderes, auf das man sich einstellen muss. Das Publikum hier im Haus der Musik war sehr aufmerksam, das ist auch schön einmal die Aufmerksamkeit so ungeteilt zu haben. Das Album ist feiner, weniger pompös.
…wie auch die Aufmachung auf der Bühne, die mich an Patrick Wolf und Rufus Wainwright erinnert. Brandon Flowers hatte auch einmal so Papageno ähnlichen Federschmuck. Während mich die Musik auf der CD mehr an die Epoche der Romantik – Stichwort Sehnsucht – erinnert, wirkt das live rockiger und vielleicht auch barocker.
Thom: Barock oder Rokoko bleibt uns zu sehr an der Oberfläche. Wir sehen uns schon eher in der Epoche der Romantik. Die emotionalen Ereignisse sind oft an Landschaften gekoppelt. Große aber auch sehr ungefähre Gefühle werden da behandelt. Die Sehnsucht ist unser Nummer Eins Thema, vor allem die Sehnsucht nach etwas ungefährem, nach etwas, das man nicht benennen kann. Nicht nach Ekstase oder etwas Materialistischem, vielleicht nach Liebe, einem Gegenüber oder Freiheit, aber das sind alles wage Begriffe, die in ihrem Kern unerreichbar, unfassbar und unbestimmt sind. Diese Zuschreibung und die Nähe zu den Idealen dieser Zeit, der romantische Impuls ist nachher geschehen. Wir arbeiten sehr intuitive und aus uns heraus.
Wie wichtig sind dir die Hörer beim Schreiben der Lieder? Möchtest du ein bestimmtes Gefühl hervorrufen, möchtest du emotionalisieren?
Thom: Ja, das möchte ich. Ich schreibe die Lieder nicht für mich selbst, sondern furs Publikum. Es geht da um meine Sehnsucht nach Gemeinsamkeit das zu teilen mit jemanden. Mein Ziel ist es die Leute, die sich die Musik anhören, so zu berühren, wie ich auch berührt werde von Musik und offenen Sinnfragen. Im Gegenzug dazu berührt es mich wiederum wenn mir etwas glückt textlich oder klanglich.
Gibt es dafür eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Ort der Inspiration?
Thom: Eigentlich immer, wenn man so leicht abwesend ist. Ich kann mich nicht so gezielt hinsetzen zum Lieder schreiben, das kommt stückweise. Ich schreib mir wahnsinnig viel im Handy auf zur erinnerung. Oft nehme ich etwas auf und lass es ein halbes Jahr liegen, hab schon vergessen, dass es existiert und hör es wieder und arbeite dran weiter. Ich finde Songs schreiben ein bisschen wie Detektivarbeit, etwas was schrittweise entdeckt wird und wächst. Ich wüsste gerne, was die Umstände sind, die die Entwicklung anschieben, aber bisher hab ich das noch gar nicht herausgefunden. Das einzige worüber ich gewiss bin: Ich spüre, wen nein Song fertig ist und die besten Sachen sind doch, trotz dieser Stückl-Detektivarbeit, die die ziemlich in einem Rutsch kommen.
Wie läuft das dann mit der Abstimmung innerhalb der Band?
Markus: Das gute ist, dass Thom keine Berührungsängst hat, was Unfertiges angeht und das bedeutet, dass er uns früh in den Schaffensprozess einbezieht und mit Skizzenartigem auch schon zu uns kommt.
Thom: Ich bin auf die Kritik der anderen auch angewiesen. Jeder ist für das Songwriting essentiell.
Zwei von euch bildeten schon vor My Heart belongs to Cecilia Winter ein Ukulelenduo mit Velvet Underground Covers?
Thom: Betty und ich kennen uns schon ewig, wir sind Teenagerfreunde und das war eines unserer ersten Projekte, mehr so spaßhalber. Weil wir schon beim Ausbruch aus der Heimat sind und der Sehnsucht, sollte auch erwähnt sein, dass wir immer schon große Hawai-Fans waren. Als halbernstes Witzprojekt kann das also gesehen werden. An der Schauspielschule hab ich den Markus kennengelernt und ab da haben wir zu dritt weiter gemacht.
Wie lange ist das jetzt her?
Thom: 2006 war diese Theaterperfomance. Seitdem sind wir zu dritt.
Habt ihr mit der Theater-Szene noch zu tun?
Markus: Wir arbeiten weiterhin als Regisseure, als Schauspieler und Theatermusiker. Aber Theater und Band sind zwei ganz unterschiedliche Dinge. Man kann das nicht vergleichen und ich glaube auch nicht, dass wir einen Vorteil haben. Wir versuchen nicht zu theatral zu wirken.
Thom: Ich finde Theater hat viel mit Berechnung zu tun, das versuchen wir nicht zu machen mit der Band. Vielleicht ist das ein anderer Anspruch an Inhalt den wir mit der Band haben. Ich gebe mit den Lieder Mühe, eine Position zu vertreten und ein gewisses Maß an Poesie aufrecht zu erhalten.
Und das ist beim Theater….?
Thom: ….auch ähnlich, ja! (lacht)
Ihr habt interessante Kostüme am Album-Cover an – Seid ihr modeinteressiert?
Thom: Wir sind modeinteressiert und wir haben im Laufe der Zeit durch die Auftritte festgestellt, dass es hilfreich ist, sich nicht mit der Straßenkleidung auf die Bühne zu stellen. Nicht nur, weil es anders wirkt, sondern auch weil es uns leichter fällt, uns auf unsere Musik einzustellen und uns sicher zu fühlen in unserer Position auf der Bühne.
Man könnte argumentieren, euer Album sei eine wilde Mischung aus bewährten Indiemusikzutaten. Wo sind die Anknüpfungspunkte an frühere Helden?
Thom: Sigur Ros hat mir immer sehr gut gefallen. Ich bin auch ein Fan von den Raveonettes. Und war schon immer ein großer Schubert-Fan. Die Winterreise mag ich besonders gerne.
Die Frage nach Cecilia Winter stelle ich nicht, aber wenn wir schon bei der Winterreise sind: Habt ihr eine Lieblingsjahreszeit?
Beide: Ja, den Herbst.