Das Nachtasyl am Ende der inneren Mariahilfer Straße feiert im Oktober 30-jähriges Jubiläum. 30 Jahre, in denen Protest, Politik und Kunst an alten Holztischen zusammenfanden. Im Interview rekapituliert Besitzer Jiri Chmel den Werdegang des Lokals.
Ins Nachtasyl geht man selten auf ein Cola light. Wie geht ihr mit schwierigen Gästen um?
Ich bin mittlerweile seltener hier unten, wie ich schon sagte. Aus meiner Erfahrung ist es aber so, dass man meistens ganz gut mit den Leuten umgehen kann und dass das eigentlich nicht so schwierig ist. Wir haben bis 4 Uhr offen und natürlich geht es da manchmal zu, aber das kann man meist mit friedlichen Mitteln regeln – alles andere ist eher die Ausnahme.
Die schwersten Zeiten für das Nachtasyl?
Das Warten, bis wir endlich unsere Genehmigung bekommen. Das hat fast 20 Monate gedauert. Vorher war hier ein Verein, der hieß »Künstler« und die Leute wollten das Nachtasyl hier nicht haben. Es gab bei jeder Gelegenheit Beschwerden und uns fehlte die Anlagengenehmigung, die haben wir sehr lange nicht bekommen.
Dein schönster Moment im Nachtasyl?
Der schönste Abend war wirklich, als in der Tschechoslowakei das kommunistische Regime gefallen ist. Wir haben hier eine große Feier veranstaltet. Für uns war das der Punkt, an dem klar war, das wir wieder die Möglichkeit haben, hin- und auch wieder zurückzufahren. Als ich 1982 nach Österreich gekommen bin, dachte ich nie, dass ich nach sieben Jahren wieder zurückgehen kann. Als wir hier hergekommen sind, hieß es: für immer. Das war also, aus dieser Sicht, der schönste Abend.
Drei Geschichten bzw. Anekdoten aus dem Nachtasyl, die so nur dort passieren konnten?
Das ist schwierig … Eine Geschichte ist sicherlich der Besuch von Präsident Havel. Es war sein erster Staatsbesuch und er ist von der Hofburg direkt ins Nachtasyl gekommen. Er kannte das Lokal nur von Erzählungen. Und das Schönste an der Geschichte ist, dass er in einem Film erzählt: »Ich musste erst Präsident werden, bevor ich ins Nachtasyl gehen konnte.«
Außerdem hatten wir viel Spaß mit verschieden DJs, zum Beispiel Christof Kurzmann oder Amina Handke. Am Anfang haben wir wirklich viele Veranstaltungen gemacht. Die gemeinsamem Silvester-DJ-Lines mit Bluebox und Chelsea waren auch ein Highlight. Aber das hat sich sehr verändert nach 30 Jahren, das ist vorbei.
Die Konzerte von Iva Bitova waren auch immer etwas Besonderes und extrem gut besucht. Das besondere daran war, dass sie wie auch Präsidenten Havel erst im Konzerthaus spielte und direkt danach ins Nachtasyl kam. Außerdem hatten wir gute Abende mit DG 307, das ist eine sehr bekannte tschechische Underground-Band.
Auch schön waren die Besuche von interessanten Personen wie Peter Handke zum Beispiel, der mehrmals hier war. Nach fünf Jahren Exil in Frankreich wurde sein Stück zum ersten Mal wieder in Österreich gespielt und er bestand darauf, dass alle Schauspieler danach hier herkommen. Er hat hier seine Afterparty veranstaltet. Die armen Schauspieler. (lacht) Aber sie haben zumindest gesagt, dass es ihnen gefallen hat. Es war schon lustig, dass die hier alle reinspazieren mussten.
Warum, glaubst du, überlebt das Nachtasyl schon seit 1987?
Weil wir nicht überheblich sind. Und die Preise sind niedrig. Ich wollte nie reich werden. Ich hab das nie aus irgendeiner Geldgier gemacht. Es ist fast mehr eine soziale Einrichtung, als ein Lokal. Ich lebe zwar davon, nicht großartig, aber es geht. Jetzt brauche ich mehr Zeit für mich, das kostet natürlich mehr Geld für die Arbeitnehmer, aber auch das geht. Immerhin habe ich jetzt keine Schulden mehr. Am Anfang hatte ich sehr viele Schulden und war unter Druck. Ich musste Geld verdienen, um die Kredite zurückzuzahlen. Aber mir haben viele Leute geholfen, ein tschechischer Arzt hat für mich gebürgt, sonst hätten wir das Geld damals nicht bekommen. Wir haben aber auch sehr viel selbst gemacht. Man sieht das natürlich jetzt auch, nach 30 Jahren. Wir haben kaum etwas erneuert.
Im Oktober feiert das Nachtasyl sein 30-jähriges Jubiläum. Der Termin der dreitägigen Veranstaltung wird noch bekannt gegeben. Hier geht’s zur Facebook-Seite des Lokals.