Der Vielfalt gerecht werden – Wie Neo-Pronomen eine Lücke füllen

Neo-Pronomen sind in aller Munde. Bei Hatern, Shitstorms und Kritiker*innen auf der einen, in queeren, progressiven und aktivistischen Szenen auf der anderen. Für manche sind sie unent-behrlich, drücken einen Teil ihrer Identität aus, sind notwendig, um richtig sprechen zu können. Für viele sind Neo-Pronomen aber einfach nur schwer verständlich. Ihr Zweck ist nicht nach-vollziehbar, ihre Verwendung unklar, ihre Lesbarkeit fragwürdig. Über die Herkunft von Neo-Pronomen, warum die Gewöhnung an sie sehr viel schneller gehen kann, als wir glauben, und welche wichtige Lücke sie füllen.

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Das kleine Einmaleins der Neo-Pronomen

Es gibt derzeit eine Vielzahl von Neo-Pronomen, die alle parallel verwendet werden. Manche von bestimmten Gruppen und Organisationen, andere von einzelnen Menschen. Hier ein kleiner Querschnitt durch das Angebot, weitere Details finden sich zum Beispiel unter www.nibi.space/pronomen.

Xier
Xier ist eines der älteren Neo-Pronomen im deutschen Sprachraum und damit auch eines der verbreitetsten. Es hat eine vollständig ausgearbeitete Deklination mit allen gängigen Fällen. Das X macht es deutlich erkenn- und unterscheidbar, die Endungen orientieren sich an den bestehenden Pronomen.

Dey
Lehnt sich von der Aussprache an das englische »they« an und erlebt derzeit einiges an Aufschwung in queeren Communitys. Ursprünglich hat es sich vermutlich über Tumblr verbreitet, seit Kurzem springt es dank Missy Magazin auf die Printmedien über. Wie »xier« hat auch »dey« eine Vielzahl an Beugungsformen, wenn auch weniger akribisch ausgearbeitet und in mehreren konkurrierenden Varianten.

Et
Abgeleitet vom niederdeutschen Neutrum-Pronomen, ohne den negativen Beigeschmack bei Verwendung für Personen wie beim deutschen »es«. Aufgrund der Abstammung gibt es eine breite, ausgearbeitete und robuste Deklination. Die Anlehnung an eine nah-verwandte Sprache sorgt außerdem bei Sprach-Traditionalist*innen für Legitimation.

They
Gerade in der gesprochenen Sprache stößt eins immer wieder auf das englische »they«. Wie viele andere Anglizismen wird es einfach eins zu eins übernommen und fällt gesprochen neben »fake«, »cringe« und »cool« kaum auf. Sicher, es fehlt eine Vielzahl von Fällen, die es im Englischen nicht gibt, aber gerade für Menschen, die sich viel mit englischsprachigen Medien beschäftigen, wirkt es trotzdem oft gewohnter als die deutschen Neo-Pronomen.

Sey
»Sey« ist der Versuch »they« einzudeutschen, mit zugehöriger Deklination. Die Verbreitung ist derzeit geringer als bei den größeren Neo-Pronomen wie »xier« oder »dey«, aber der Ansatz, das gängige Pronomen »they« in Deutsch besser verwendbar zu machen, ist trotzdem vielversprechend.

Er*sie / er_sie / er:sie
Die Konstruktion mit Gender-Gap / Stern / Doppelpunkt ist funktional äquivalent zu einem Neo-Pronomen. Es ist sperrig, jedoch auch ohne Vorkenntnisse leicht nachzuvollziehen. Allerdings ist es im Vergleich zu richtigen Neo-Pronomen nur eine Behelfskonstruktion, die weiterhin von den binären Pronomen abhängig ist und insbesondere als Selbstbezeichnung für nicht-binäre Menschen nur mäßig funktioniert.

Vornamen
Derzeit bevorzugen viele nicht-binäre Menschen – gerade in Ermangelung eines gängigen Neo-Pronomens – einfach den Vornamen. Gemeinsam mit etwas sprachlichem Geschick lassen sich so gegenderte »Tratsch-Pronomen« in fast allen Fällen recht elegant vermeiden.

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