Die Antilopen Gang im Interview: „Bei uns ist schließlich alles ein Dilemma“

Ein Interview mit der Antilopen Gang zum neuen Album „Anarchie und Alltag“.

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© Robert Eikelpoth

Die Antilopen Gang meldet sich zurück. Die HipHop-Formation aus Deutschland, die seit eh und je szeneübergreifend unterwegs war, scheute bei der Wahl des neuen Albumtitel nicht, auf eines der bedeutendsten Referenzwerke der deutschsprachigen Punkmusik zurückzugreifen. Namentlich: „Monarchie und Alltag“ von Fehlfarben. Wie gewohnt zeigt sich die Gang auf ihrem zweiten Album mit gesellschaftskritischen Texten und einer Menge Ironie. Als Aushängeschild für deutschsprachigen HipHop mit politischer Botschaft wollen sie nicht benutzt werden – mit gutem Grund. Wir haben die drei Rapper Koljah, Danger Dan und Panik Panzer zum Gespräch getroffen.

Mit dem Albumtitel „Anarchie und Alltag“ habt ihr eine starke popkulturelle Referenz gesetzt, die auf den ersten Blick ungewöhnlich für die Antilopen Gang scheint. Wo seht ihr die Überschneidungen zwischen euerm Album und Fehlfarben?

Koljah: Wenn unser Album in 37 Jahren einen ähnlichen Stellenwert hat, wie das Album der Fehlfarben, wäre das natürlich schön. Ansonsten weiß ich nicht, ob die Platten vergleichbar sind. Ähnlich wie die Fehlfarben beschreiben wir die Realität, die uns umgibt. Die Fehlfarben haben auf ihrem Album kompliziertere Texte. Es ist nicht immer ganz eindeutig, worum es nun gerade geht. Wir sind da etwas plumper, verklausulieren nicht so stark und andere Musik kommt dabei auch noch heraus.

Danger Dan: Gesellschaftskritische Tendenzen sind bei uns schon zu erkennen, das ist aber auch nur eine Facette, von dem was wir auf dem Album gemacht haben. Bei „Monarchie und Alltag“ könnten es manchmal Liebeslieder sein und keine Antifa-Hymnen. Und wir haben auch Liebeslieder auf dem Album geschrieben.

Hat sich eure eigene gesellschaftliche Position seit dem letzten Album verändert?

Koljah: Wir sind jetzt auf der Gewinnerseite und haben den Konkurrenzkampf für uns entschieden.

Danger Dan: Wir haben nie Musik gemacht, um Gehör zu kriegen oder Macht zu erlangen oder Einfluss auszuüben. Das sind Nebeneffekte. Wir hatten und haben immer noch Bock, dass Leute unsere Musik hören, dass wir große Konzerte spielen können und dass dort viele geile Sachen passieren und möglich werden. Jetzt haben wir andere Möglichkeiten. Damals waren wir teilweise Arbeitslose oder Studenten und hatten nur kleine Zeiträume in unserem Leben, wo wir uns sehen und zusammen arbeiten konnten. Mittlerweile ist es so, dass wir mehr Zeit miteinander verbringen als uns manchmal lieb ist und viel mehr Platz haben für die Antilopen Gang. Das ist schon ganz geil.

Eure aktuelle Single „Pizza“ ist in der Spotify-Liste „Deutschland, deine Rapper“ zu finden. Wie steht ihr dazu?

Panik Panzer: Ich habe eine Gänsehaut vor Freude bekommen als ich davon erfahren hab. Das brauche ich gar nicht zu leugnen. Ich find es geil auf dem Playlist-Avatar aufzutauchen. Der Titel der Playlist ist für uns als Band unglücklich, das macht es aber auch wieder witzig. Das Ganze ist eine rundum lustige Angelegenheit.

Danger Dan: Das ist gewohnt, da wir haben ein Album geschrieben haben, in dem wir auffordern Deutschland zu einem Baggersee umzugestalten. Auch auf allen unseren vorherigen Veröffentlichungen haben wir durchsickern lassen, dass wir zu Deutschland ein eher gesund-kritisches Verhältnis haben. Von daher kann man ausgehen, dass wir nicht Deutschlands Rapper sind. Trotzdem ist es toll in so einer Playlist zu sein, dann können die ganzen Deutsch-Rap-Nerds sich mal anhören, wie die Antilopen Gang das macht.

Wie geht ihr damit um als Aushängeschild für politischen HipHop benutzt zu werden?

Danger Dan: Was wir gar nicht mögen, ist als Gegenentwurf zu HipHop dargestellt zu werden. Es sind oft Leute, die uns als das politische Aushängeschild von deutschem HipHop darstellen, die von deutschem Rap keine Ahnung haben. Die denken Rap sei etwas, bei dem Leute mit riesigen Muskeln und Goldketten behangen gegenseitig ihre Mütter beleidigen oder schwängern wollen. Das ist ein Wahngebilde und dem Gegenüber stellen sie die Antilopen Gang, die unglaublich reflektiert zu sein scheint, die alles was sie tut durchdenkt. Das ist auch ein Wahngebilde.

Von daher gehen die Vergleiche nie richtig auf. Es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass wir uns für politische Themen, die auch in unseren Texten vorkommen, interessieren. Wir haben als Rapper zusammen gefunden haben, nicht nur weil wir unsere Flows geil fanden, sondern auch ähnlich ticken. Das macht die Antilopen Gang nach wie vor auch aus.

Koljah: Es nervt, wenn wir vor einen Karren gespannt werden sollen und wenn Leute uns instrumentalisieren wollen, weil wir in deren politische Agenda passen. Da kriege ich direkt Abgrenzungsbedürfnisse. Ich habe keine Lust irgendwelchen Leute in meiner politischen Haltung zu gefallen. Da finde ich es schon ok, wenn auch mal wahrgenommen wird, dass wir eine Musikgruppe sind.

Ihr spannt in euren Songs einen Bogen zwischen Trash und Kritik. Geht sich das aus?

Danger Dan: Wer sich unsere Texte und Alben aufmerksam anhört, der wir ein ungefähres Bild davon haben, wie wir zu bestimmten politischen Themen stehen. Trotzdem erreicht mich manchmal absurde Fanpost. Neulich schrieb mir eine schrecklich homophobe Frau, dass sie es furchtbar finde, dass ich in dem Video zu „Verliebt“ mit Monchi (Sänger von Feine Sahne Fischfilet) knutsche und wollte mich eines Besseren belehren. Dabei entpuppte sie sich dann als Antilopen Gang-Fan. Anscheinend verstehen nicht alle Leute, welche Positionen wir beziehen. Manchmal schließt diese Position bestimmte Leute nicht aus, weil sie die Musik einfach gut finden. Das ist ein Dilemma, das ok ist, weil bei uns schließlich alles ein Dilemma ist.

Antilopen Gang © Robert Eikelpoth

Koljah: Wir haben nicht den großen subtilen Hintergangen. Ein Lied wie „Pizza“ ist dann ganz verschieden interpretierbar. Die einen denken, dass sei ein neuer „Holz“-Song und kompletter Nonsens, die anderen sagen: „Nein, dass ist die cleverste Gesellschaftskritik, die es gibt.“ Ein Lied wie „Beate Zschäpe hört U2“, wo es wenig Interpretationsfläche gibt, haben die wenigsten Leute falsch verstanden. Außer diejenigen, die nicht glauben konnten, dass die Ken-FM Zeile ernstgemeint ist, weil die Ken Jebsen für einen revolutionären Freigeist halten und denken, dass wäre eine subtile Kritik an Leuten, die ständig die Antisemitismus-Keule schwingen.

Am Tag der Veröffentlichung eures Albums wird in den USA Donald Trump als neuer Präsident vereidigt. Österreich ist gerade nochmal an Hofer als Bundespräsidenten vorbeigekommen und die AfD könnte dieses Jahr in den deutschen Bundestag einziehen. Rechte Parteien werden in Europa generell stärker. Bekommen Musiker nun das Bedürfnis wieder gesellschaftlich aktiver zu werden?

Koljah: Sie könnten das Bedürfnis bekommen, wenn sie es verspüren, aber das ist nicht die Aufgabe von Musikern. Sollte jemand sich berufen fühlen Statements rauszulassen und seine Bühne dafür zu nutzen, kann er das gerne machen. Es ist falsch zu denken, dass Musiker automatisch diese Verantwortung haben. Der Vorwurf, der da gemacht wird ist, dass Künstler ihre große Bühne für Sinnvolles nutzen sollen. Das sehe ich nicht so, denn jeder sollte seine Kunst machen, wie er will. Das kann und muss sich selbst genügen. Braucht es einen anderen Zweck,  hört es auf Kunst zu sein.

Danger Dan: Nur weil jemand singen, rappen oder Klavier spielen kann, muss dieser noch lange nicht in der Lage sein gesellschaftliche Analysen vorzunehmen, am besten noch Lösungsansätze haben und aktiv zu werden. Das geht viel zu oft in die Hose. Der Berliner Rapper Deso Dogg, zum Beispiel, ist auch aktiver geworden, das ist natürlich schlecht.

Koljah: Natürlich ist gute Musik oft aus der Not geboren. Schwierige gesellschaftliche Verhältnissen haben oftmals dazu geführt, dass krasse Kunst entstanden ist. Aber es ist eben keine Notwendigkeit. Daraus können auch ganz furchtbare Sachen entstehen und ich hab jetzt schon Angst vor den ganzen Anti-Trump Songs. Ähnlich wie bei der Fuck-Bush-Welle.

Ihr habt keine Mühen gescheut und noch ein Bonusalbum namens „Atombombe auf Deutschland“ mit Punkrock-Versionen eurer Songs aufgenommen. Dazu habt ihr verschiedene Gastmusikerinnen, vornehmlich aus der Punkszene ( z.B. Bela B, Ingo Donot, Peter Hein), eingeladen mitzumachen. Wie kam es dazu?

Koljah: Die Idee, Songs von uns als Punksongs umzuschreiben, gab es schon länger. Jetzt haben wir die Idee aufgegriffen und gemerkt, dass wir in letzter Zeit ein paar Leute aus der Punkszene kennen gelernt haben. Die wollten wir fragen und die Überraschung war, dass alle Lust hatten mitzumachen. Vor allem sind das Musiker, die wir früher gerne gehört haben und immer noch gerne hören.

Danger Dan: Eine Frau hätten wir gerne noch dabei gehabt: Nina Hagen.

„Anarchie und Alltag“ und das Bonusalbum „Atombombe auf Deutschland“ erscheinen am 20. Jänner 2017 via JKP. Im Flex spielt die Antilopen Gang am 01. März 2017 und im Rockhouse Salzburg am 28. Februar 2017. 

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