Am 6. September erlebt das Triebwerk in Wiener Neustadt sein 15-jähriges Bestehen. 15 Jahre Triebwerk bedeuten 15 Jahre Subkultur. Ein Blick hinter die Kulissen.
Es scheint ein beliebtes heimisches Konzept zu sein, ausgediente Schlachthöfe in pulsierende subkulturelle Zentren zu verwandeln. Statt toter Tiere gibt es in der Arena Wien, in den alten Schlachthöfen Hollabrunn und Wels oder im Triebwerk in Wiener Neustadt heute Subkultur und mitunter mehr.
Am Anfang war der Pinguin
Nach der Pleite dieses Wiener Neustädter Jungendkulturhauses gründeten Aktivisten eine Arge, deren Bemühungen 1996 zur Eröffnung des Triebwerks führten. Was anfangs eher als ein Jugendzentrum mit Nachmittagsbetreuung (Hausübung schreiben, Salzteig backen) konzipiert war, entwickelte sich immer mehr zu einem Kulturhaus, ohne aber den sozialen Aspekt zu vernachlässigen. Denn mittlerweile umfasst der hinter dem Triebwerk stehende Verein „Jugend & Kultur“ drei Teilbereiche: Die Sparten „Rumtrieb“ und „Auftrieb“ decken die soziale Schiene für junge Leute ab und bieten anonym und kostenlos, mobil und stationär Familien-, Drogen- und Arbeitslosenberatung und Schulsozialarbeit. Das „Triebwerk“ kümmert sich um die kulturelle Schiene und veranstaltet Konzerte, Lesungen, Kinovorführungen, Diskussionen und Workshops.
Was das Publikum primär als Abfeiergelegenheit am Wochenende wahrnimmt, bedeutet für die andere Seite Arbeit, Arbeit und noch mal Arbeit. Das Triebwerk-Team umfasst aktuell drei Personen: Ina Thomann kümmert sich um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und passt auf die ehrenamtlichen Mitarbeiter und Fremdveranstalter auf. Norbert Horvath ist für Booking, Abrechnung und Barmanagement zuständig und Sepp Vogt checkt alles Technische.
Alle drei verdienen dort auch ihr Geld, sind hauptamtlich beim Triebwerk angestellt und „mehr oder weniger gut bezahlt“. Weil drei Menschen kein Veranstaltungszentrum am Laufen halten können, arbeiten sie mit einem Team von 25 bis 30 Ehrenamtlichen. Daran Interessierte melden sich beim Triebwerk, es winken Aufwandsentschädigung und vergünstigter Eintritt. Fixe Jobs sind rar.
Erklärtes Ziel dieses Trios ist es, in der Stadt „kulturelle Nahversorgung“ anzubieten und aufrecht zu erhalten. Man will vor allem jungen Bands die Möglichkeit zum Auftritt geben und jungen Menschen Raum bieten, sie selbst sein zu können und sich kreativ austoben oder einfach treffen zu können. Großen Wert legen die drei auch auf Lobbyarbeit. Sie sehen sich als Kulturinitiative, die ein Ohr für die Anliegen junger Leute hat, diese versteht und die auch das Gewicht hat, Wünsche an den richtigen Stellen deponieren können.
Die Location selbst ist sehr klein und ab 150 Besuchern bereits voll. Außenstehende sehen im Triebwerk mitunter eine Punklocation. Heute ist das schlichtweg falsch. Hausverbot haben in diesem Haus bloß Coverbands, Volksmusik und Schlager – sonst ist musikalisch aber alles drin. Nur elektronische Auflegereien sind aufgrund der Bass-lastigen Lautstärke in Kombination mit den Anrainern selten. Bei rund 50 Veranstaltungen im Jahr sind 2/3 Konzerte, der Rest teilt sich auf Kinovorführungen, Picknicks mit Beschallung, Lesungen (viel Poetry Slam) und Workshops (Kochen, Tontechnik, DJing,…) auf.
Was aber bringt die Booker der Terrorgruppe, Kettcar, Real McKenzies oder Garish dazu, ihre Bands nach Wiener Neustadt zu schicken, wo es, wie die Macher selbst zugeben, nur eine Dusche für alle gibt und das WLAN spinnt? „Der Einsatz des Teams stimmt und das Essen ist gut“. Für jeden Act wird groß aufgekocht. Und deckt man als Veranstalter die primären Bedürfnisse einer Band (Bier, Kaffee, Klo, Dusche und Essen) ab, steht man schon auf der sicheren Seite. Bands und Booking-Agenturen wissen das zu schätzen.
Die Krux mit der Politik
Wiener Neustadt ist mehr oder weniger „rot“. Parteien rechts der Mitte hätten ja „ein Problem mit allen, die keinen Trachtenjanker tragen“, so der Tenor der Triebwerkler. Erleichtert dann im Umkehrschluss die starke Präsenz der „Roten“ die kulturelle Arbeit der Subkulturellen? „Politischen Gegenwind gibt es immer und einen Überlebenskampf führt eine gemeinnützige Kultureinrichtung sowieso laufend“, meint Norbert. Das Triebwerk stehe mittlerweile auf einem „guten Fundament“, aber in der Vergangenheit wusste man oft nicht, ob man in der nächsten Woche noch einen Job hat, erzählen die Aktivisten.
Um 1997 entstandene Videos belegen raue Interviewszenen, in denen lokale Politiker verschiedener Parteien vom Zusperren sprechen. Im Laufe der Jahre gab es „mannigfaltige Anschuldigungen“: Das Triebwerk sei ein Drogenumschlagplatz, Treffpunkt für den Rand der Gesellschaft, politisches Auffangbecken für den „schwarzen Block“, etc. Norbert: „Witzigerweise haben wir das alles überlebt, was ich selbst eigentlich verwunderlich finde“. Mittlerweile ist das Triebwerk relativ akzeptiert in Wiener Neustadt, „der Wind wurde zum Lüftchen“. Direkte Misstöne sind selten geworden. Auch die Zusammenarbeit mit den Magistratsabteilungen der Stadt funktioniert, man hat erkannt, dass das Triebwerk ein umfangreiches und internationales Programm auf die Beine stellt und beträchtliche kulturelle Arbeit leistet.
Das Triebwerk selbst sieht sich „eher links orientiert“, bezieht aber keine parteipolitische Stellung. „Als Vertreter des Triebwerks würde ich nie sagen, die eine oder andere Partei sei total scheiße“, so Norbert. „Wir engagieren uns jugend-, kulturpolitisch und sozialpolitisch“, aber ohne Konnex zu einer Partei.
Linkes Sicherheitsdenken
Für die Zukunft wünscht man sich in erster Linie Weiterbestand und Sicherheit. Denn wenn Subventionen gestrichen werden – und sparen ist überall schwer angesagt – wird es eng. Und eine aktive, junge Szene, die die Stadt lebendig hält. Und eine größere Location.
Wer auf den Geschmack gekommen ist, der hält Ausschau nach dem „15 Jahre Triebwerk Film“ und dem im Rahmen der Geburtstagsfeierlichkeiten entstandenen Live-Sampler mit den an den Feierlichkeiten beteiligten Bands.
Am 6. September 2011 feiert das Triebwerk in Wiener Neustadt den 15. Geburtstag. In dieser Zeit wurden zwei Sampler und ein Kochbuch veröffentlicht. Am 24. September steigt die große Jubiläumsfeier. Mit Fußballturnier.