Eva Buchleitner, Gründerin des Labels „Eva Blut“, über Bauchgefühl, sinnvolle Kooperationen und Pop-up-Stores als temporäre Testmärkte.
Hast du die Erfahrung gemacht, dass E-Commerce den stationären Verkauf in Läden kannibalisiert?
Nein, im Gegenteil. Wenn wir auf einem Online-Protal eine Aktion haben (und Aktionen sind immer zeitlich begrenzt) eröffnen wir vielen Neuinteressenten den Zugang auf unsere eigene Seite. Wir setzen das also ein wie Werbung. Und selbst die Frequenz im Geschäft kann davon beeinflusst sein.
Große Modemarken stecken viel Geld in Marktforschung und Trendscouting. Benützt du professionelle Werkzeuge oder verlässt du dich bei neuen Produkten ganz auf dein Bauchgefühl?
Das Bauchgefühl ist Ton angebend. Aber das Geschäft belehrt mich manchmal eines Besseren bzw. bestätigt das Bauchgefühl meistens. Google Analytics ist interessant, bestätigt aber auch, was wir im Geschäft erleben.
Welchen Stellenwert hat das Feedback von Vertriebspartnern bei der Entwicklung neuer Produkte und Kollektionen?
Da der Absatz zurzeit ausschließlich direkt, ohne Vertriebspartner passiert, sind wir auf uns selbst zurückgeworfen. Wir holen uns aber immer wieder den frischen Blick herein, indem wir Leute einladen, die uns ihre Meinung schenken. Das können Marketing- und Presse-Menschen oder Agenten mit anderen Qualifikationen sein.
Du bietest hochwertige Accessoires an. Siehst du Eva Blut als Luxusmarke?
Nein. Ich will Eva Blut nicht elitär verstehen. Die Dinge haben den Preis, den etwas einfach hat, wenn es gut gemacht ist und nur in kleinen Auflagen in Österreich oder Europa hergestellt wird. Aber das ist ein fairer Preis und leistbar für jemanden, dem diese Herkunftsbedingungen bewusst sind.
Wer genau ist deine Zielgruppe und was tust du – oder tust du bewusst nicht -, um diese möglichst perfekt zu bedienen?
Meine Zielgruppe ist vorwiegend weiblich, ab 28 Jahre; wir nennen sie Urban Professionals. Auffällig sind die vielen Architektinnen, Professionen aus dem Kulturbetrieb und die vielen selbst kreativ Tätigen. Wir machen Pressearbeit in relevanten Medien, haben eine Veranstaltungsschiene namens VEHIKEL, die inhaltlich an deren Interessen adressiert ist – aber auch, weil diese Inhalte auch uns selbst befruchten. Zurzeit identifizieren wir gerade, welche Apps oder Reiseplattformen diese Zielgruppen nutzen, um auch die Reisenden in Wien zu erreichen.
Die unterschiedlichen kreativen Branchen funktionieren alle sehr unterschiedlich. Was könnte ein Multimedia-Designerin oder ein Musik-Labelmanager dennoch von dir lernen, wenn es darum geht, seine Zielgruppe zu erreichen?
Phuu! Ich verstehe Eva Blut selbst noch als permanent lernend. Vielleicht betrifft alle, dass womit man sich als Label identifiziert, die Kernaussage, immer wieder zu überprüfen ist. Es geht ja nicht nur ums einmalige Behaupten seiner Essenz, sondern auch darum, diese weiter zu entwickeln.
Es kommt immer wieder vor, dass Unternehmen die Anwendungsmöglichkeiten ihrer Produkte unter- oder fehleinschätzen und diese – auch – zweckentfremdet zum Einsatz kommen. Hat sich Eva Blut schon einmal zufällig eine bestimmte, neue Zielgruppe erschlossen?
Ja, das Fahrradthema ist zu mir gekommen. Das entspringt aber der grundsätzlichen Frage, die ich mir beim Entwickeln von Taschen immer wieder stellen muss: Wie sind die Menschen JETZT unterwegs oder wie wären sie das gerne? Das Thema Mobilität ist sowieso präsent. Und was stört die Menschen dabei?
Also auch diese potenziellen neuen Markt-Zweige kommen, finde ich, aus der DNA einer Marke. Mit Design-Aufträgen verhält sich das ebenso. Was macht mich geeignet, für die Deutsche Post etwas zu entwickeln – worüber ich leider noch nicht sprechen darf. Es hat wohl schon etwas mit der Herangehensweise, mit der man sich Aufgabenstellungen annähert, zu tun, mit dem was einen interessiert oder inspiriert.
Store:
Eva Blut / Stilrad
Wien 1, Jordangasse 3
geöffnet: Dienstag-Freitag 11-19 Uhr, Samstag 10-18 Uhr
Departure get together "New Sales": Gute Ideen, bessere Produkte, neue Märkte
Montag 17.6., 18 Uhr, Kunsthalle Karlsplatz, Project Space
Warum scheitern viele Kreative daran, gute Ideen und Produkte auch an die richtige Zielgruppe zu verkaufen? Wie vermeidet man leere Kilometer? Und warum gehören Vertrieb und Absatz von vornherein mitgedacht?
Eva Blut (Eva Blut Store), Benedikt Kirsch (Tukluk), Lothar Trierenberg (das möbel) und Matthias Fiegl (Lomographic Society) im Gespräch mit Thomas Weber (The Gap).
Der Eintritt ist frei.