„Wut und Disziplin“ heißt das neue Album des Trojanischen Pferdes. Beim Interview dazu sind die beiden Köpfe der Band nicht besonders wütend, aber auch nicht übermäßig diszipliniert.
Irgendwann, irgendwo in Oberösterreich greift Hubert Weinheimer zu einer Gitarre, schreibt ein paar Lieder, nimmt zuhause drei Singer/Songwriter-Alben mit einem MD-Rekorder auf und legt so den Grundstein zu dem, was heute Das Trojanische Pferd ausmacht. Ein paar seiner Frühwerke (z.B. „Wien brennt“) finden sich noch immer im Programm. Irgendwann, parallel dazu, aber weit weg in Deutschland absolviert Hans Wagner eine klassische Musikausbildung. In einer Vorlesung auf der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien lernen sich die beiden kennen. Die Proben zu einem gemeinsamen Konzert, das als einmaliger Gig geplant ist, funktionieren so gut, dass die beiden 2007 Das Trojanische Pferd als Duo aus der Taufe heben. Mittlerweile weist die Kombo zwei Alben und eine Remix-EP auf und ist zu einem Trio angewachsen, das bei Bedarf auf bis zu rund 15 Menschen aufgeblasen werden kann.
Der Falter, FM4, Der Standard, Profil und The Gap lieben euch und auch andere Medien sind ziemlich angetan von der neuen Platte. Wieso seid ihr Everybody’s Darling?
Hubert: Everybody’s Darling sind wir gar nicht. Ich glaub’ eher, dass wir polarisieren. Es gibt ein paar Leute, die uns sehr mögen und es gibt ein paar, die uns nicht so mögen. Es gibt drei, vier Figuren, die uns seit dem ersten Album begleiten und uns schätzen, aber wir haben bei den Medien niemanden gekannt, bevor man uns auf unsere Musik angesprochen hat.
Hans: Die haben sich uns ausgesucht. (Lacht) Wir haben niemanden bestochen!
Gibt’s eigentlich überhaupt negative Kritik zum neuen Album?
Hubert: Nein, bis jetzt gibt es sogar von beiden Alben tatsächlich keinen Verriss. Es gibt sicher Leute, denen das nicht gefällt. Aber ich glaube, dass auch die sehen, dass in diesem Album ziemlich viel Blut drinnen steckt, und sich diese daher schwer tun, es als Schwachsinn oder Blödsinn abzutun. Man kann’s mögen, man kann’s nicht mögen…
Hans: …und die es nicht mögen, schreiben vermutlich nicht drüber. Es zu verreißen macht dann keinen Sinn und keinen Spaß.
Hubert: Außerdem würden wir uns furchtbar rächen und die Leute vierteilen und nachher einäschern und die Asche in den Wind streuen.
Wer von euch ist denn hier der Chef?
Hubert: Na ja, die Frage ist ja aufgelegt. Es gibt zwei Chefs: Einen in inhaltlichen Dingen und einen in musikalischen. Der Chef in inhaltlichen Dingen bin ich, der Chef in musikalischen Dingen ist der Hans.
Hans: Wir haben eine Arbeitsteilung. Aussage und Text macht der Hubert, ich seh’ mich für die Musik zuständig.
Hubert: Aber wir haben viele Gemeinsamkeiten. Unsere Texte, unsere Art zu texten, sind sich ähnlich [Anm.: Hans textet und singt bei Neuschnee]. Und bevor wir uns kennen gelernt haben, hab’ ich den Hans mal live gesehen. Das mag jetzt kitschig klingen, aber das war für mich ein einschneidendes Erlebnis. Denn zum ersten Mal dachte ich mir: Wow, ich bin nicht alleine mit meiner Gitarre. Das ist der Typ, mit dem ich über Musik reden möchte!
Ihr bezeichnet euch als Erfinder des Chanson-Punk. Was sollen sich Menschen unter diesem Musik-Mix vorstellen, die euch nicht kennen?
Hubert: Ich weiß gar nicht, ob der Begriff von uns stammt oder vom Falter…
Hans: Vom Falter glaub ich.
Hubert: …aber wir finden den sehr treffend für uns. Das punkige Element kommt immer wieder mal vor in den Liedern, da wird es dann sehr schroff und holprig. Das Chanson-Element ist die Leonhard Cohen-Seite an uns, textlich betrachtet. Den Begriff Chanson-Punk find’ ich unbelastet. Anti-Folk wäre für uns auch ok, ist aber schon zu besetzt.
Ihr spielt mit einer Vielzahl von Instrumenten eine Vielzahl an Stilen. Mit Gitarre, Bass, Schlagzeug, Streichinstrumenten, Klavier, Orgel, Trompete und und und spielt ihr Singer/Songwriter-Sachen, Rock, Kirchenmusik und und und in fast jedem erdenklichen Tempo. Was sind Absicht und Konzept dahinter?
Beide lachen dreckig.
Hubert: Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten: Wir können uns irgendwas aus den Fingern saugen oder wir können einfach ganz klar sagen, dass es da kein Konzept gibt. Jedes Lied steht für sich….
Hans:…und das ist das Konzept!
Hubert: Wir arbeiten jedes Lied so aus, dass es uns reizt, herausfordert und interessiert. Aus diesem Grund gibt es diese Heterogenität. Wir haben uns jede Nummer vorgeknöpft und geschaut, was wir machen wollen. Wollen wir da zum Beispiel Bläser, ist das Tempo gut, wollen wir rumjazzeln. Manche dieser Stilbrüche sind ja geradezu absurd! Was dann allerdings tatsächlich schwierig ist, ist zu erklären, was das Album zusammenhält. Wir behaupten daher: Die Band hält das Ganze zusammen. Wir haben eine Vorstellung, wie die Musik sein soll und das hält alles zusammen.
Hans: Gesang und Text sind sehr prägend und mit beiden kann und soll man sich alles erlauben, wenn man das Gefühl hat, dass man mit einem Stück etwas ausdrücken möchte. Würden wir Punk machen, hätten wir gleich einen Stempel drauf, müssten vielleicht sogar bestimmte Inhalte bedienen. Das umgehen wir mit unserer Herangehensweise natürlich.
Hubert: Und es gibt in jedem Song irgendwo einen Ausreißer, es wird nie ein vollkommen roter Faden verfolgt. Ich will zwar verstanden werden, aber das Publikum soll sich schon auch denken: Was soll denn das jetzt? Das Gehörte soll sich im Kopf verkanten und nicht eindeutig sein…
Was wäre die Antwort gewesen, die ihr euch aus den Fingern saugen müsstet?
Hubert: Dann würd’ ich sagen, das ist deswegen so heterogen, weil wir damit verschiedene musikalische Traditionen aufgreifen und neu verknüpfen wollen und dafür einen eigenen Weg gefunden haben bla bla bla.
Gibt’s eigentlich irgendeinen Stil, den ihr ausschließt?
Hubert: Reggae. Aber nicht weil ich ihn nicht mag, sondern weil diese gemütliche Chill-Out-Musik nicht zum Trojanischen Pferd passt. Das Trojanische Pferd ist nicht Chill-Out, sondern In-die-Goschen!
Hans: Ich glaube auch, dass Reggae nicht passen würde, würde mich gegen den Reggae aber auch nicht wehren!
Worum geht es denn bei euch inhaltlich? Die meisten Texte sind schwer bis gar nicht fassbar und man kann sich bloß an Textfetzen orientieren, um auf Inhalte rückzuschließen.
Hubert: Es gibt Lieder, nämlich die älteren, die sehr wohl zugänglich und auch eindimensional lesbar sind. Aber oft werden in einem Lied mehrere inhaltliche Ebenen angesprochen … Gerne sind wir auch mal großkotzig. Ich singe „Ich bin Gottes Sohn…“. Das bescheidene Herumwurschteln der typischen Indie-Szene find’ ich nämlich nicht so erstrebenswert. Leute, die auf eine Bühne gehen, wollen ja was mitteilen. Warum stellen sich die dann geduckt auf die Bühne und murmeln herum? Auf der Bühne goschert sein find’ ich eine schöne Sache. Im realen Leben ist das eh Bullshit.
Ist es euch egal, dass euer Publikum auf der textlichen Ebene einen eigenen Sinn hineininterpretiert oder vielleicht gar nichts versteht?
Hubert: Egal ist mir das überhaupt nicht, es ist mir schon wichtig, dass die Leute was mitnehmen. Wenn ich mit Leuten über unsere Texte rede, glaub ich schon, dass sie so eine Grundstimmung mitbekommen. Dass die einzelnen Songs völlig unterschiedlich verstanden werden, find’ ich ziemlich cool. Das soll auch so sein. Und wenn man da was akustisch nicht ganz versteht, dann ist auch das voll in Ordnung.
Hans: Das wäre die Idee für’s nächste Album: Undeutlich singen, so dass immer gefragt wird: Was hat er gesagt?
Fallen dir die Texte einfach so ein oder ist das harte Arbeit?
Hubert: Es ist nicht so, dass ich da ewig dran brüte. Aber es fällt mir sehr selten was ein, drum dauert’s sehr lang. Ich brauch immer eine Initialzündung, einen Satz, der mich kickt. Ein befreundeter Musiker zum Beispiel hat mal zu uns gesagt: Ja ja, es ist ein hartes Brot. Und ich hab mir gedacht: Ja. Richtig. Und daraus entstand dann der Text für das Stück „Hartes Brot“. Es gibt auch keine überschüssigen Texte. In den drei Jahren zwischen den beiden Alben entstanden 13 Texte, die jetzt alle auf dem Album sind.
Bis vor Kurzem konnte man auf der HP eures Labels Problembär Records noch lesen, dass das euer letztes Album sei. Ist was dran an diesem Gerücht?
Hubert: Es war sehr schwierig und sehr mühsam, das Album zu machen. Ich habe mir eigentlich gedacht, dass ich wohl länger keine Lieder schreiben würde. Jetzt, wo das Album heraußen ist, habe ich zwar noch immer keine Lust, neue Lieder zu schreiben, aber ich werde wieder Lieder schreiben, irgendwann.
Was geschah denn nach der ersten Platte, dass es zu solchen Mutmaßungen kam?
Hans: Das ist ein bisschen so das Leben, das einem da dazwischen kommt. Dass man sich auch entscheiden muss, was man macht. Dann hat Hubert einen Job bekommen und ich bin auch in der Situation, wo ich mir überlegen muss, was ich mach’ und wo es hingeht. Das ist halt komisch, aber wenn man nicht von vornherein weiß, dass man eine Band hat, von der man leben kann, ist ein Ende immer im Raum.
Hubert: Es ist natürlich auch eine Zeitsache. Hans macht viel Tontechnik und Mastering und war 2011 mit der aktuellen Neuschnee-Platte beschäftigt. Im Sommer 2011 habe ich aber dann doch auf die Aufnahme gedrängt…
Fast hätte dieses Album „Fuck your Band" geheißen. Lässt das Rückschlüsse auf das interne Bandgefüge zu?
Hubert: Nein, der Spruch weist nach außen. Viele Bands gibt’s nur, weil ein paar Leute cool sein wollen. Das find’ ich einfach zum Speiben. Und extrem viele Bands haben überhaupt keine Haltung, keinen eigenen wahren Kern und keine eigene Message. Die sollen bitte die Leute nicht mit sinnloser Musik langweilen. Da sind wir sehr radikal und damit machen wir uns auch nicht beliebt, aber wir stehen dazu!
Namen! Ich will Namen!!
Hubert: Wäre unfair. Fällt mir schon was ein, aber ich will niemanden abwatschen.
Es gibt Bilder von euch, die Hubert im Brautkleid und Hans mit einem kleinen Kind an Arm zeigen. Erklärt euch!
Hubert: Das war eine spontane Aktion. Ich musste ein Konzert alleine spielen und hab’ dafür ein Hochzeitskleid angezogen. Da haben wir dann ein Shooting daran angeschlossen.
Hans: Das kleine Kind ist mein kleines Kind. Das kann man beim Stück „Zwischen Tür und Angel“ auch hören. Wenn aus dem Papa nichts wird, dann hab ich jetzt eine Tochter, die kann ich dazu zwingen, dass mal was wird aus ihr.
Du planst also, dich in deiner Tochter selbst zu verwirklichen?
Hans (lacht): Ja! Die werd ich triezen!
Ihr seid mit dem Stück „Wien brennt“ des ersten Albums auf dem „Uni brennt“-Sampler vertreten. Ist Das Trojanische Pferd eine politische Band?
Hubert: Die Uni brennt-Bewegung ist an uns herangetreten…Konkret politisch sind wir bloß insofern, dass wir prä-politisch sind. Ist ein blödes Wort, das gibt’s wahrscheinlich gar nicht. Wir sind halt a bisserl a subversive Band, die zum Nachdenken anregt. Aber ich hüte mich, klare politische Parolen von mir zu geben. Wir haben schon für die Roten, die Grünen und die Schwarzen gespielt. Gewisse Parteien sind mir da lieber als andere und es gibt Parteien, für die wir nicht spielen würden, eh klar. Am ÖVP-Stadtfest haben wir Hans „I am from Austria“ singen lassen, da kannst du dir vorstellen, wie das klingt, wenn er als Deutscher den Dialekt imitiert. Und ich hab das Lied mit dem Rücken zu Publikum gespielt. Das war ein kleiner Akt der Rebellion…
Eure Zukunftspläne?
Hubert: Also die Auflösung ist vertagt. Und es wird viel live gespielt jetzt und ein weiteres Video entsteht auch…
Hans: Ja, die Produktionsphase hat die Energie zurückgebracht…
Mehr davon? Gratis Live-EP gefällig? Hier!