Thomas Weber übergibt die Herausgeberschaft von The Gap an Martin Mühl und Manuel Fronhofer. Nostalgisch lässt ihn das in seinem letzten Leitartikel nicht werden …
Im Frühsommer hatte ich das Vergnügen, mich gleich von einer ganzen Reihe angehender junger Kolleginnen und Kollegen im Akkord interviewen lassen zu dürfen. Sie hatten sich bei FM4 um einen Moderatorenjob beworben. Die Radio-Altvorderen hatten bereits ordentlich ausgesiebt und mich für die Verbliebenen als Gast-Interviewpartner geladen, mich damit dem eigenen Redaktionsnachwuchs gewissermaßen als – grundsätzlich freundlich gestimmten – Endgegner gegenübergesetzt. Jeweils vier Minuten waren Zeit, mich wahlweise auf Deutsch oder Englisch zu befragen. Auffällig dabei war neben der hohen Professionalität aller Kandidaten vor allem eines: das große Interesse an der Frühzeit von The Gap um die Jahrtausendwende, also zu einer Zeit, als alle meine Interviewer selbst noch Kindergarten-, Vor- oder Volksschulkinder waren. Trotz des umfangreichen Themenkatalogs im Moderations-Briefing wollten letztlich alle wissen, wie das denn damals war, vor 20 Jahren. Und so erzählt man – bekennend, dass man selbst ja erst ab dem zweiten oder dritten Jahr Teil des Ganzen gewesen – halt aus dem Mesozoikum der Medienzeitalters; von Musiker-Interviews, die man vom Münzfernsprecher des Neuen Institutsgebäudes (NIG) der Hauptuni Wien aus koordiniert hat, mit Plattenfirmen, die es längst nicht mehr gibt. Neben der Erkenntnis, dass heute kein Mensch mehr »Hauptuni« sagt, und es sich kaum noch vermitteln lässt, dass es für sogenannte »Indie-Bands« einst als Tabubruch galt, sich auf die »Plattenindustrie« einzulassen, tauchte da irgendwann die für mich verblüffende Frage auf, ob es denn nun auch so was wie Nostalgie gäbe, Wehmut gar.
Nun, meine Antwort wäre auch heute, da ich gerade an meinem letzten Leitartikel für The Gap sitze, die gleiche: Nein, Nostalgie, die gibt es nicht. Nur Stolz, Dinge geschaffen, verdammt viel Spaß dabei gehabt, durchgehalten zu haben. Und Ja, richtig gelesen: Dies hier ist mein letzter »Leitweber« für dieses Magazin, dem ich zwar beratend und als einer der Eigentümer erhalten bleibe, dessen Herausgeberschaft ich aber mit Erscheinen der aktuellen Print-Ausgabe abgebe. Diesen Entschluss habe ich meinen Kollegen bereits im Winter kundgetan, die ihn wie ich als absolut stimmigen und konsequenten Schritt einer persönlichen Entwicklung erachten. Künftig werde ich mich bevorzugt dem jüngeren Schwestermedium von The Gap widmen: dem Magazin Biorama und dessen Onlineplattform biorama.eu, wo neben Nachhaltigkeit auch Kulturthemen und ebenso ein Teil der mich seit Langem beschäftigenden Kreativszene gut aufgehoben sind. Themenvorschläge, Kontakte und vereinzelt auch Artikel werde ich The Gap aber weiterhin liefern. An dieser Stelle wird in Zukunft abwechselnd Meinungsstarkes von Manuel Fronhofer und Martin Mühl zu lesen sein, die sich die Herausgeberschaft fortan teilen. Beide garantieren Kontinuität. Bei Manuel handelt es sich um einen der beiden Gründer dieses Mediums, der bis auf eine kurze Absenz (fast hätte ich geschrieben: Abstinenz) durchgehend für The Gap aktiv war. Auch Martin Mühl ist länger als ich für The Gap tätig – viele Jahre als einer der prägenden Autoren, später als Chef vom Dienst und Chefredakteur, seit Längerem nun auch als Geschäftsführer des gesamten Medienunternehmens, das rund um The Gap gewachsen ist. Inhaltlich federführend bleibt mit Yasmin Vihaus eine vergleichsweise jugendliche Chefredakteurin – mit eindeutig popkultureller Sozialisierung und großem Interesse für Kreativwirtschaft und das Start-up-Geschehen.
An ihnen liegt es nun, mit The Gap und vor allem auch thegap.at weiterhin den Spagat zu schaffen, gleichzeitig ein inspirierendes, kritisches und maßgebliches Medium wie auch ein verlässlicher Partner der Kunst-, Kultur- und Kreativbranche zu sein. Ganz klar: Leichter wird das auch in Zukunft nicht werden. Leicht war es aber auch nie – um zurück zur Frage nach der Nostalgie zu kommen und den bloß vermeintlich goldenen vordigitalen Zeiten.
20 Jahre sind eine lange Zeit, vier Interviewminuten verdammt kurz. Hätte mich allerdings einer der FM4-Bewerber auf meine Zukunft bei The Gap angesprochen, hätte ich meine Rückzugsabsicht nicht zurückgehalten. Jedenfalls: Gutes Gelingen und viel Glück – den jungen Kolleginnen und Kollegen. Und ganz
besonders The Gap.
Thomas Weber beantwortet weiterhin Mails an weber@thegap.at, bleibt Herausgeber bei biorama.eu und ist unter @th_weber auf Twitter aktiv.