Ein Land putzt sich heraus und holt zum Nation Branding aus. Neoliberal? – Na und? Für die Quote und den Wirtschaftsstandort wäre ohnehin eine direkte Monarchie das Beste.
Ich stelle mir Nation Branding ja immer ein bisschen so vor wie den Aktionismus in »Braunschlag«. In den Hauptrollen der Fernsehserie (ORF eins zeigt sie hauptabends ab 18. September) denken sich der Volksschauspieler Robert Palfrader als windiger Bürgermeister und Nicholas Ofczarek als Dorfdiscokönig eine Marienerscheinung aus, um gutgläubige Christenmenschen dazu zu bringen, in die Waldviertler Provinz zu pilgern und mit ihren Devisen die leeren Marktgemeindekassen zu füllen.
Nun ist die Welt in Österreich zwar small, das Land gottlob aber noch nicht ganz so heruntergewirtschaftet wie weite Teile der von Abwanderung und Niedergang gezeichneten Gegend im Norden Niederösterreichs. Man lässt sich die »Nation Brand Austria« auch ganz schön was kosten. Die 740.000 Euro, die der Wirtschaftsminister für eine erste Einschätzung des Österreichbilds draußen im Rest der Welt frei gemacht hat, sind nach neuer Wahlkampfwährung immerhin 10 Millionen Stronachschilling. Während sich in »Braunschlag« die Konsequenzen der rustikalen Standortpolitik allerdings unmittelbar messen lassen, bleiben aufs große Ganze, also aufs bewusste Herausputzen einer Nation umgelegt, doch ein paar Fragen. Etwa jene nach dem Erkenntnisgewinn. Denn dass Österreich gemeinhin mit »Zauberflöte«, Salzburger Nockerl, Gipfelkreuzen, der imperialen Kaiserstadt und Après-Ski assoziiert wird, könnte einem jeder im Ausland stationierte Botschaftsbedienstete bestätigen. Auf die Idee, das Land auf einen einzigen »Markenkern« zu reduzieren, wird hoffentlich auch niemand kommen – allein schon, weil es vielfältige, oft widersprüchliche, manchmal konkurrierende Interessen gibt. Eine japanische Touristenfamilie lockt etwas anderes in die Getreidegasse als das, was den CEO eines italienischen Industrieunternehmens, der seine Europazentrale von Rom nach Wien zu verlegen gedenkt, gen Vösendorf bewegt.
Wobei die Vermarktung von Verwaltungseinheiten im postnationalen Europa sowieso etwas Absurdes, Anachronistisches, ja: Rückwärtsgewandtes hat. Nicht zuletzt verdankt Österreich fast alles, wofür es heute steht, geschätzt, besucht und wahrgenommen wird, einem versunkenen Vielvölkerstaat. Oder der Plattentektonik und dem milden Klima. Trotzdem ist natürlich jedem klar: Irgendwie braucht’s so ein Marketing. Allein schon, weil man bekanntermaßen nicht nicht kommunizieren kann.
Global Knigge
Wie also auftreten und einen guten, halbwegs attraktiven Eindruck hinterlassen? Die Selbstdisziplinierung, zu der manch Nation-Brand-Leitfaden die ortsansässige Bevölkerung – vor allem in Asien – ermuntert, kann es auch nicht sein. Schön sprechen? Nicht auf die Straße spucken? Immer adrett, freundlich und ergeben? Da wird man verwechselbar. Außerdem ist diese Forderung hinterfotzig imperialistisch. Die archaische Unsitte, nächtens einfach in den Gassen zu urinieren, die man in Barcelona in die Gegenwart herübergerettet hat, hält schließlich auch niemanden davon ab, die Stadt der Partys und Gaudís zu besuchen. Das schäbige Berlin ist nicht ob seiner guten Manieren sexy. Und London schuldet den Gutteil seines Pop-Appeals immer noch der – freilich längst weggelackten – Verruchtheit und Räude des Punk. Dem britischen Nation-Branding-Guru Simon Anhalt zufolge sind gerade Monarchien übrigens besonders geeignet, konsequente „Nation Brands“ herauszubilden. Weil ein Monarch es sich leisten kann, an seine Thronfolger und nicht bloß von Wahl zu Wahl zu denken.
Bleibt die Frage, was all das für Österreich bedeuten kann? Die »Marke Österreich« wird sich wohl auch künftig primär vom kulturellen Erbe ableiten. Warum also nicht mal direkte Monarchie statt der dauernden Forderung nach mehr direkter Demokratie? Auch die Vielfalt des dadurch beworbenen Wirtschafts- und Tourismusstandorts ließe sich da medial mitverpacken: Wien als neu herausgeputzte Kaiserstadt, rundherum ein paar Wochenendresidenzen, Festspiele, das Umland bis hinein in den Bregenzerwald als Latifundien der Wellness-Sommerfrische, das weithin entvölkerte Waldviertel als halbwildes herrschaftliches Jagdrevier. Auch um seinen Status als Schwulen-Hotspot müsste Wien nicht bangen. Für bunten Hedonismus und ein wenig glamouröse Dekadenz sind weitverzweigte Aristo-Clans immer zu haben. Was spricht dagegen, eine schrecklich nette Royal Patchwork Family zur besten Sendezeit zusammenzucasten? Man müsste vielleicht wieder einmal den Palfrader fragen. Der kennt sich da aus.
Zur Coverstory über Nation Branding und weiteren Texten zum Thema, inkl. Golden Frame, Olympische Spiele London 2012, Logodesign, The Hobbit, usw. geht es hier: