One two three cheers and a Bierdusche

Unlängst hat man mir in einem Lokal Bier ins Gesicht geschüttet. Das ist nicht zum ersten Mal passiert. Es lag auch diesmal nicht an meinem eigenen Aggressionslevel. Es war schon wieder ein besoffener, gewaltbereiter Szene-Typ.

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Dabei fing der Abend so friedlich an. Eine Band feierte in einem der Wiener Gürtellokale den Release ihres neuen Albums. Zu diesem Anlass spendierte das Label den geladenen Gästen die Getränke. Alle hatten Spaß, es war nicht nur wegen der Free Drinks lustig und irgendwann fand ich mich am DJ-Pult wieder. Ich habe an diesem Abend nicht selbst aufgelegt, aber gemeinsam mit einer Freundin den beiden für die Musikauswahl zuständigen Freunden Gesellschaft geleistet. Mein Platz war nahe dem Publikumsbereich, weshalb ich den tatsächlichen DJs die Arbeit abnehmen konnte, die Wünsche derjenigen aufzunehmen, die aufgrund ihres Alkoholpegels die besseren DJs zu sein glauben.

Irgendwann stand ein aufgedunsener, sichtlich alkoholisierter Typ vor mir, der partout nicht mit mir reden wollte. Über mich hinweg versuchte er ständig, einen der beiden Männer (die ihn auch nicht kannten) auf sich aufmerksam zu machen, und schubste mich dabei – ich war ihm ja im Weg – nach hinten. Zuerst habe ich noch versucht, die Situation zu deeskalieren und ihm zu verstehen zu geben, dass er seinen Willen eher bekommt, wenn er sein Anliegen einfach bei mir deponiert. Ob er bloß keine Geduld hatte oder ob ich, das vemeintliche dekorative Pupperl, ihm als Gesprächspartnerin nicht würdig genug war, weiß ich nicht. Seine Reaktion war jedenfalls, mir wortlos einen kräftigen Stoß zu geben und zu versuchen, an mir vorbei in den DJ-Bereich einzudringen. Ich schlug ihm vor, sich jetzt am besten sofort zu schleichen. Woraufhin er mir sein volles Bierglas mitten ins Gesicht, über meine Haare und Bluse, auf meinen Nachbarn und aufs Pult schüttete.

Wasted little DJs

Dieser arme testosterongebeutelte Trottel, so hat man mir nachher erzählt, legt öfter in dieser und anderen Venues auf. Er wurde trotzdem sofort aus dem Lokal geworfen, als ich dem Türsteher erklärt hab, was passiert war. Alle um mich herum waren entsetzt und bemüht, mir den versauten Abend wieder schön zu machen, boten mir Drinks, trockene Pullover und sogar Fäuste an, weil solche Situationen immer Beschützerinstinkte hervorrufen.

So. Jetzt wird natürlich irgendjemand einwenden wollen, es habe sich bei dieser Anekdote um einen Einzelfall gehandelt.

Nur: das ist mir nicht zum ersten Mal passiert. Bei einem meiner frühesten Auflegejobs wurde ich ebenfalls mit Bier begossen. Ebenfalls von einem besoffenen Partygast. Zwar nicht von einem, der sich grundsätzlich geweigert hatte, mit mir zu reden – es wäre auch kein Mann in der Nähe gewesen, dem die verantwortungsvolle Aufgabe der Musikwunscherfüllung eher zugetraut hätte werden können – aber respektvolles Verhalten mir gegenüber war trotzdem nicht drin. Ich habe nämlich seinen Vorschlag abgelehnt. (Ja, eh, ich hätte auch einfach so tun können, als ob ich die Nummer einplanen würde.) Ein freundliches, aber deutliches Nein von einer Person zu akzeptieren, vielleicht ganz besonders weil es von einer Frau kam, die in diesem Moment die Macht hatte, seine gottgegebene musikalische Expertise und Überlegenheit zu ignorieren, fiel diesem benebelten Kerl offensichtlich so schwer, dass er damit konterte – ihr ahnt es –, seinen Becherinhalt auf mich und das Pult mit der darunterliegenden Haustechnik zu schütten.

Und jetzt wird natürlich wieder irgendjemand einwenden wollen, dass betrunkene Typen nicht zurechnungsfähig sind und ihre Ausrutscher daher auch nicht als Beispiele für Misogynie im Alltag herhalten können.

Aber genau das ist der Punkt: Die Verhaltensweisen Frauen (sowie übrigens auch Minderheiten) gegenüber, die im besoffenen Zustand zum Vorschein kommen, sitzen auch sonst tief in uns drinnen. Üblicherweise gelangen sie vielleicht nicht so deutlich an die Oberfläche, aber sie sind dennoch immer unbewusst da. Ihre Existenz ist keine bloß intuitive Annahme, sondern in unzähligen Studien bewiesen. Das Stichwort für alle, die weitergoogeln wollen, heißt "Unconscious Bias”".

Give a little respect

Was ich damit konkret meine? Natürlich lässt es sich abstreiten, dass die Bierduschen irgendwas mit der Tatsache zu tun hatten, dass ich eine Frau bin. Natürlich gibt es im Nachtleben viele Vollhonks. Aber tendentiell ist der Respekt vor einer Frau hinter dem DJ-Pult implizit (und ab einem gewissen Alkoholpegel ganz explizit) geringer als vor dem gewohnten Anblick des vermeintlich von vorn herein kompetenteren Mannes. Wie überall anders gilt auch hier, und gilt vor allem für uns alle: Eine Frau wird automatisch und unbewusst argwöhnischer unter die Lupe genommen, schneller kritisiert und lächerlich gemacht, von Anfang an weniger ernstgenommen und auch gerne mal wüst behandelt, sobald sie nicht mehr bloß konsumierender Teil des Ausgehvolkes ist, sondern als DJ, Technikerin, Musikerin oder in einer anderen Rolle Verantwortung trägt.

Darum jetzt eine kurze Bitte: Das nächste Mal, wenn du eine Frau auflegen siehst und sich dein aufgeblasenes Ego einmischen will, widersteh deinem Instinkt. Lass sie einfach machen und vertrau darauf, dass es wohl einen Grund haben wird, warum an diesem Abend sie dort steht und nicht du. Danke.

Astrid Exner ist Mitbegründerin des Musikblogs Walzerkönig. Wenn sie sich nicht gerade Bier aus dem Gesicht wäscht, twittert sie als @walzerkoenige zu den Themen Musikindustrie, Internet und Feminismus. Am 31.3. diskutiert sie in Linz über ein ähnliches Thema: Im Gespräch mit La’Do Kurator Markus Reindl wird es unter anderem um Frauen in der Clubkultur und in der elektronischen Musikszene gehen.

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