"Swimming Pool" bündelt Musik aus der österreichischen Indie-Szene, heizt sie für Film, Werbung & Games auf und wandert zwischendurch einmal durch die Förderungsschleife. Gründer Lisa Humann und Hannes Tschürtz im Interview.
Wie ist die Idee zu Swimming Pool gekommen? Seid ihr öfters auf das Thema Sync Rights angesprochen worden?
Hannes Tschürtz: Ink Music als Label gibt es nun schon seit 2001, seit 2006 den passenden Verlag dazu. Sync Rights sind dabei so etwas wie die letzte Bastion der Musikindustrie. Im Geschäftsmodell von Ink Music ist der Verlag ein sehr wichtiger Kreis, alles streift einen Verlag an, er ist die eierlegende Wollmilchsau der Musikindustrie – Verlage betreffen mechanische Rechte, Live-Rechte, Rechte bei der AKM, Film und Radio. Uns hat lange die Kraft und die Zeit gefehlt diesen ganzen Strauß an Verlagsrechten richtig zu bedienen. Aber im März 2009 ist Lisa gekommen um genau das zu machen, nämlich den Bereich der Rechteverwertung umzugraben. Dass dieser Bereich wächst, haben wir bei Trouble Over Tokyo und Clara Luzia gemerkt, als es international großes Echo und viele Anfragen gab.
Wie lange dauerte die Präsentation bei Departure? Wie muss so was aufbereitet werden? Wird man mit Tabellen und Formularen erschlagen oder soll man die Präsentation schlank und schick halten?
Lisa Humann: Beim Einreichen zu Departure haben wir selbst sehr viel gelernt: man muss fünf Mal überlegen, ein Baustein muss mit dem nächsten zusammen gehen, ineinander greifen und es gibt außerdem sehr strenge Förderrichtlinien. Man denkt das durch, konkretisiert, definiert Meilensteine, was muss wann funktionieren … man muss das ganze Projekt auf drei bis fünf Jahre anlegen.
HT: Bei Departure selbst gab es zwei Vorgespräche. Die entscheidende Präsentation war sehr kurz, ungefähr 15 Minuten: fünf Minuten präsentieren und im Anschluss zehn Minuten Fragen einer zehnköpfigen Jury, die sich aus den verschiedenen Zweigen der Kreativindustrie zusammensetzt. Man darf maximal drei Folien zeigen – dabei hatte der Businessplan dazu 30 Seiten oder mehr. Die bekommen dieses ganze Konvolut und stellen dann zehn Minuten sehr gemeine und böse Fragen … Fragen, die insgesamt natürlich sehr kritisch, durchdacht und richtig waren. Ich hätte genau dieselben Bedenken gehabt. Es gab dann insgesamt 50 Einreichungen, davon wurden ganze vier gefördert.
LH: Wir mussten uns ein funktionierendes Geschäftsmodell überlegen, wünschten uns viel und landeten in einer ersten Version bei insgesamt 515.000 Euro Budget. Das war natürlich vollkommen unrealistisch. Aber beim Einreichen wird beispielsweise gefordert die Gehälter auf drei Jahre im Vorhinein zu planen. Und das Projekt muss nach zwei Jahren auf eigenen Beinen stehen.
Wie hoch sind die Einstiegshürden für die Förderung? Im Bereich Musik bekommen das aus den diversen Fördertöpfen über die Jahre hinweg ja doch meistens dieselben Leute…
LH: Es ist wirklich viel Arbeit das einzureichen, über drei Monate haben wir regelmäßig daran gefeilt und gerade im Dezember wurde das echt heftig. Wir haben gewusst wir müssen das machen – manchmal hätten zwar am liebsten hingeschmissen, wenn man nicht mehr weiß, wie man das Projekt noch besser ausformulieren kann. Das Schwierige ist, dass man die eigenen Ideen im Kopf so genau heraus arbeiten muss, damit man sie dann niederschreiben kann.
HT: Das Einreichprozedere ist eine dabei schon beträchtliche Hürde; sie ist allerdings auch notwendig. Die Förderung siebt aus, es erweist sich aber als extrem wertvoll, wenn man es schafft. Und obwohl das jetzt natürlich arrogant klingt: wenn viele daran scheitern, wird es einen guten Grund haben. Im Musikbereich stelle ich schon fest, dass vielen dieser unbedingte Wille zum Geschäft und zur Professionalität ein klein wenig fehlt; vielleicht fehlen manchen einfach auch noch die Skills um das eigene Projekt einzureichen. Aber es ist sicherlich eine allgemeine Professionalisierung zu spüren, davon braucht es definitiv noch mehr in den nächsten Jahren.
Bisher ist Departure außerdem nicht unbedingt geschaffen für Musikprojekte, nächstes Jahr soll sich das ändern, wenn es bei deren Förderungen einen Musikfokus geben soll. Und nach Departure kommen eventuell noch andere Förderprogramme; im Impulsprogramm des Austria Wirtschaftsservice gibt es etwa eine mögliche Folgeförderung.
Wie hoch ist die Förderquote? Für was wird das Geld verwendet?
HT: Die Förderquote liegt bei maximal 50%. Um den zugesicherten Betrag von 144.000 Euro zu bekommen, müssen wir in unserem Fall also förderbare Kosten von 288.000 nachweisen können. Falls weniger Ausgaben förderbar sind, gibt es auch weniger Geld. Diese Zahl ergibt sich dabei aufgrund unsres Businessplans für die nächsten Jahre. Teilweise muss man dafür absurd konkret werden, es ist ganz genau geregelt was man berechnen darf und was nicht; wobei man nur für die Entwicklungskosten, nicht die laufenden Kosten wie Büromiete und Büromaterialien bekommt.
Woher kommt der Rest des Geldes? Müssen dann ja mindestens 200.000 Euro sein. Andere haben die Förderung auch schon zurückgezahlt, weil sie diese Kosten nicht stemmen konnten.
HT: Im bestmöglichen Fall holt man sich die 50% schon im Förderzeitraum über Einnahmen – aber das ist eher Wunschdenken. Also ja, die 140.000 Euro und die 30.000 – 50.000 Euro an laufenden Kosten werden von mir kommen müssen. Ab dem dritten Jahr muss sich Swimming Pool selbst finanzieren. Uns ist aber völlig klar, dass sich das nicht allein in Österreich einspielen lässt. Departure ist dabei eine Starthilfe eine Unterstützung, damit ein größerer Schritt möglich ist.
Wie viel Personal hat Swimming Pool? Wie groß sind die personellen und räumlichen Überschneidungen zu Ink Music? Und wie wird verhindert, dass Ink Sachen überproportional gepusht werden?
LH: Ich und Magdalena Aichinger sind Vollzeit, Hannes Halbzeit angestellt. Dazu werden sich möglicherweise auch noch Praktikanten gesellen. Hannes wird Geschäftsführer und den Bereich Kommunikation übernehmen, ich kümmere mich um die Künstler, das Repertoire und den Filmbereich, Magdalena wird Werbung und Games machen. Räumlich teilen wir uns ein Büro mit Ink. Es gibt aber einen finanziellen Mechanismus, der verhindert, dass Ink sich bereichert beziehungsweise der es egal macht, ob wir dieses oder anderes Repertoire vermitteln.
Wie hoch ist der Anteil von Sync Rights bisher bei Ink?
LH: Verschwindend gering. Eigentlich alles in Österreich beruht auf Zufall, auf Glück. Es gab Monate, wo gar nichts passiert ist. Das soll angekurbelt werden, denn der Betrag kann in der Relation zu CD-Verkäufen und Bookings schon mal sehr hoch sein. Wir können nun im Unterschied zu den Majors alle Rechte an einer Stelle zentral frei geben und kennen unser Repertoire.
Wie ist denn euer Verhältnis zu den Majors?
HT: Wir gehen spurlos aneinander vorüber: es gibt einfach keine Berührungspunkte. Die Österreich-Abteilungen sitzen mittlerweile häufig in Deutschland, Warner und Universal haben ihre Sync-Beauftragten in Berlin und Hamburg. Formell sind wir eigentlich Konkurrenten, haben aber faktisch kaum etwas miteinander zu tun. Wir sind in bestimmten Bereichen unkomplizierter, die Majors haben dafür ein Repertoire sehr bekannter Artists, das wir nie haben werden.
Welche Labels sind bisher dabei? Gab es Gespräche mit dem VTMÖ, mit Aman, dem Mica? Oder arbeitet ihr mit den Labels selbst? Wie viele Artists und Labels nehmt ihr dazu und wie behält man die Übersicht?
LH: Bisher ist das komplette Repertoire von Seayou, Asinella, Wohnzimmer, Siluh, Violet Noise und Schoenwetter dabei; die wollten alle sofort mitmachen. Gerade nehmen wir kaum mehr komplette Labels auf, sondern suchen uns einzelne Artists zusammen, wie etwa bei Monkey, mit denen wir über einzelne Künstler reden. Man muss mit jedem Urheber einen Vertrag abschließen, weil nur sehr wenige Artists sich über diese Verwertung Gedanken gemacht haben.
Für uns ist es dabei existenziell, dass wir das Repertoire wirklich kennen, es gibt immerhin Künstler, die überhaupt keine Werbung machen wollen oder vielleicht auch etwas gegen Werbung für Fleisch haben. Und da müssen und wollen wir die Wünsche der Künstler jedenfalls respektieren. Einige sind ja heikel – The Notwist haben angeblich einmal einen Deal mit Coca Cola abgelehnt, der mehrere hunderttausend Euro schwer war. Deswegen kann jeder Artist auch aus den Sync Rights raus optionieren, wenn er das nicht will.
Und wie kommt ihr aus dem Indiekosmos raus? Für viele Zwecke ist sicher Hip Hop, Elektronisches oder auch Metal und Punk interessanter…
HT: Wir bewegen uns in einem Umfeld, in dem wir uns wohl fühlen, das erleichtert auch die Markenpositionierung. Dadurch bleiben wir erwartbar. Es gibt einen Plan für das Kernrepertoire und die Internationalisierung von Swimming Pool, und erst danach, so nach und nach, können wir internationale Labels im Indiebereich zu unsrem Repertoire dazunehmen.
Wie schaut Swimming Pool für Kunden aus? Games und Werbung haben doch sehr unterschiedliche Anforderungen?
HT: Das Prinzip von Sync-Rights.com ist baden gegangen. Dort suchte man mit einem Web-Interface nach Musik und musste wie im Supermarkt nach ganz sturen Kriterien suchen. Das war technisch clever, aber spricht niemanden an. Ein Interface oder eine Suchmaschine für Musik kann zwar sehr gut sein, aber sie kann einen Menschen nicht ersetzen. Wir sind dagegen wie ein Greißler, bei dem man ganz individuell beraten wird. Wir telefonieren. Wenn jemand einen Wunsch hat, kann man das einfach und unkompliziert bekommen.
Crunchtime hat in einem Interview für das Departure Lookbook erzählt, dass ihr Problem war nach einigen Kooperationen immer wieder gefragt zu werden…
HT: Generell läuft das so ab: eine Werbe-Agentur schreibt einen Pitch aus: für die und die Werbung brauchen den und den Song, z.B. eine weibliche Stimme, mittleres Tempo usw. Und hier steht bereits die erste große Hürde, nämlich überhaupt gefragt zu werden, das Briefing zur Verfügung gestellt bekommen. Dann muss man das entsprechende Repertoire haben. Das alles erfordert hartes Arbeiten und viel Zeit. Lisa ist genau dafür zuständig.
Das Problem von Crunchtime hat sich uns deshalb sehr schnell offenbart. Wir hatten bei einigen sehr schönen Pitches mitgemacht, aber die Dichte und Menge der Pitches waren ein Problem. Wir bekamen auch Einladungen ohne etwas einschicken zu können; oder der Kunde empfand unser Repertoire als zu schwach. Andere hatten dasselbe Problem, also haben wir zwei Dinge zusammen gezogen: Nämlich die ganze Wiener Indie-Szene, die inzwischen ja auch viel besser aufgestellt ist, als noch vor ein paar Jahren.
Wie wird man nun von Wien aus international und was gibt es international Vergleichbares?
HT: Sync Rights ist ein Peoples Business: man muss möglichst viele von den richtigen Leuten kennen. Aber die sind meistens total aufgeschlossen. In Deutschland kennen wir mittlerweile drei der wichtigsten Music Supervisor, die sich im Indie-Umfeld bewegen, sehr gut. International gibt es bereits zahlreiche Sync Agenturen, da ist das keine neue Idee, sondern vollkommen üblich. In den USA, Frankreich oder Großbritannien gibt es mehrere solcher Agenturen. In kleineren Märkten befindet sich das allerdings meistens erst im Aufbau. Und viele Kunden sind dabei dankbar über neues, gutes Repertoire.
Wie baut man Kontakte in den Film-, Games-, Werbebereich auf? Verschickt man blind CDs an Agenturen?
LH: Die Leute kommen definitiv nicht zu dir, sie interessieren sich nicht dafür und wissen gar nicht, dass wir eine Lösung haben für ein Problem, das ihnen nicht bewusst ist. Derzeit haben wir viele Kundentermine bei Agenturen und Produktionsfirmen. Und so lernt man dann über Person A Person B kennen und so geht das weiter. Wir müssen netzwerken, bei Galas und Preisverleihungen vor Ort sein. Diagonale, Romy, Amadeus, CCA Gala gehören beispielsweise dazu.
Habt ihr nur Musik oder auch anderen Content im Angebot? Wollt ihr ganze Kampagnen oder Auftragskompositionen anbieten? Wie sollen die intern vergeben werden?
LH: Mit Kompositionen haben wir Erfahrung. Für „Tintenfischalarm“ von Elisabeth Scharang haben Garish die Musik gemacht, Sänger Thomas wird genau das beim kommenden Film wieder mache. In anderen Fällen gibt es ein Briefing, wir schauen dann wer will und wer kann. Im Fall von Werbung kommt eine Ausschreibung, meistens mit konkretem Budget. Für Auftragskompositionen arbeiten die allerdings auch oft mit anderen Agenturen oder Tonstudios zusammen.
Welcher Bereich wird voraussichtlich der Wichtigste sein: Games, Film oder Werbung?
HT: Wir bauen Swimming Pool nach dem Bausteinprinzip auf. Für Film sind wir jetzt schon gut aufgestellt, sind mit Filmverbänden und Filmförderstellen in Kontakt, es ist auch informeller als etwa Werbung und Games. Werbung ist langfristig sicher am wichtigsten, denn per se zahlt Werbung wesentlich mehr als Film; und auch die Penetranz ist deutlich höher, ein Song läuft also öfter und über einen längeren Zeitraum immer wieder. Nur ist der Werbemarkt deutlich umkämpfter. Deswegen haben wir unsere Kontakte durchdacht aufgebaut: Film hilft uns für das Prestige und das Image. Und über die werden wir leichter an andere Dinge kommen. Sich gleich an Werbung als Cashcow zu machen, würde nicht so einfach funktionieren.
Gibt es Standardsätze für die Verwendung? Wird das wie beim Radioairplay je nach Reichweite und Häufigkeit berechnet?
Es gibt keine unumstößlich definierten Sätze. Es hängt etwa davon ab, ob die Musik verändert wird, ob sie im Abspann eines Films läuft, ob sie im Hintergrund läuft, wann und auf welchen Sendern. Es gibt natürlich Richtwerte, aber es kommt dann auch noch auf die Bekanntheit eines Artists und den Song an: Manches muss auch mehr kosten dürfen. Und natürlich sind wir für Amnesty billiger als für Coca Cola.
Artikel über Swimming Pool finden sich ebenfalls auf The Gapsite und Die Presse. Swimming Pool bietet seit April 2010 Musik aus der österreichischen Independent-Szene für Games, Werbung und Film an. Im Spätherbst soll eine offizielle Launch-Party stattfinden.