Penetration von Beton

Der Südtiroler Walter Thaler hat in einer kleinen Galerie in Wien-Erdberg eine Installation geschaffen, die mehr Essenz von Design enthält als so manche Wohnzeitschrift.

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Fidel Peugeot und Karl Emilio Pircher, besser bekannt unter dem Namen Walking-Chair, betreiben seit vielen Jahren in Wien-Erdberg in den Räumlichkeiten eines ehemaligen Kaffeehauses eine Art Open-House. Dazu gehört auch ein Nebenraum, der als Galerie betrieben wird. Er ist zwar nur wenige Quadratmeter groß, hat den Designliebhabern der Stadt allerdings schon zahlreiche Entdeckungen ermöglicht. Zum Beispiel entstanden hier einige Stücke aus Martino Gampers Serie „100 Chairs in 100 Days and its 100 Ways“, als Gamper noch ein unbekannter Uniabsolvent war. Heute wird er bei der Design Miami/Basel und anderswo als neues Wunderkind des experimentellen Designs herumgereicht. Aber auch andere spannende Positionen waren in der Walking-Chair-Gallery vertreten, vom Zürcher Grafikbüro „Flag“ bis hin zu den Freitag Brüdern (ja, die mit den Taschen).

Der Haken

Doch so simpel und zugleich so beeindruckend war der kleine Galerieraum noch nie bestückt. Peugeot und Pircher haben ihren Südtiroler Kollegen Walter Thaler eingeladen, eine Installation aus Wandhaken zu machen. Warum ausgerechnet Wandhaken? Dazu erzählen die Walking-Chairs folgende Geschichte: Thaler habe ein Wohnhaus (oder eine Wohnung) eingerichtet und da sei eine leere Wand zwischen zwei Türen übrig geblieben, die man weder mit Möbeln verstellen noch ungenützt lassen wollte. Garderobehaken vielleicht? Das war dem Südtiroler doch ein wenig zu langweilig, also kam er auf die Idee, statt Haken Pflöcke an die Wand zu montieren, und zwar in unterschiedlichen Längen und verschiedenen Winkeln. Dieses System – nur etwas freier – hat Thaler nun in Wien raumfüllend angewandt. Und das faszinierende ist, dass die Pflöcke eben so aussehen, als seien sie tatsächlich in der Wand versenkt, als würden sie den harten Beton durchdringen.

Die „Möbelskulptur“ (so nennt Thaler das) nahm ihre Inspiration beim Heiligen Sebastian – ja genau, das ist der mit den vielen Pfeilen, die seinen schönen Körper durchdringen. Das Grandiose an Thalers Interpretation ist, dass die Wände durch die unterschiedlichen Pflöcke nicht nur wunderbar dreidimensional werden, sondern ein fantastisches Eigenleben und eine Rhythmik kriegen: Es macht total Lust, sie zu betrachten. Die Wände wachsen in den Raum, und die Pflöcke in die Wand. Nicht nur phantastisch, sondern sogar praktisch: Denn manche davon Pflöcke lassen sich ja tatsächlich als Aufhängung für was-auch-immer verwenden. Gibt es einen besseren Beweis, dass experimentelles Design auch zu einem Mehrwert – abseits von plumpem Funktionalismus – führen kann? Nein.

[PFLOCK] WALL HOOKS in different lengths and angles: 10°/20°/30°

— Installation von Walter Thaler

noch bis Mitte Juli

Walking-Chair Gallery

Rasumofskygasse 10, 1030 Wien

www.walking-chair.com/gallery

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