Pensionisten-Soul

Warum? Warum nur belästigt Phil Collins die Welt mit diesem unnötigen Machwerk des Pensionisten-Souls?

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Philip David Charles Collins kann es sich nun mal leisten Teile der legendären Studioband von Motown, die Funk Brothers, zu verpflichten. Er kann sie Coverversionen ihrer eigenen Songs noch und noch einmal einspielen lassen, damit sich Collins in jugendlichen Erinnerungen schwelgen kann. Aber muss er es deshalb tun? Diese Frage hat sich der gute Phil leider mit „Ja“ beantwortet. Dabei hat dieser Mann ein untrügerisches Gespür für Musik, er war am Verkauf von schätzungsweise mehr als 250 Millionen Alben unmittelbar beteiligt – und so viele Menschen können doch einfach nicht irren. Phil Collins ist ein Gigant. Bitte Phil: schenk uns doch tausend „In the Air Tonight“s und einfühlsame Balladen über Obdachlose wie „Another Day In Paradise“, damit Brett Easton Ellis weiterhin kleine Mord-Dramolette nach deinem Soundtrack schreiben kann.

Nur bitte, wir wollen keinen Soul von Bleichgesichtern mehr hören! (Ähm, außer von Mayer Hawthorne. Warum das? Ein ander Mal.) Vor allem dann, wenn 18 Songs aus dem Umfeld von Motown ganz nach dem Titelgebenden Motto „Going Back“ kaum angetastet wurden; wenn im Vergleich mit den Originalen eigentlich nur die vergleichsweise schmale, brüchige Stimme eines gealterten Collins aus den Boxen pfeift – statt den Stimmen der Temptations, Martha Reeves, den Supremes oder Stevie Wonder. Dabei nimmt man es Phil Collins ja schon ab, dass er das selbst genau so wollte und ihm keine Marketingmuschi eingeredet hat, dass er das bitte machen muss, weil Amy Winehouse und Duffy und Seal vor zehn Jahren ordentlich Erfolg damit hatten. Ja, Phil Collins hätte sich auf viel Schlimmeres besinnen können: er hat sich zum Glück Musik mit Körper ausgesucht; und nicht wie sein ebenfalls ergrauter Kollege Sting nur eine Stange Geld verbrannt. Der hatte kürzlich den Wert von cirka drei Jumbos voll Care-Pakete in ein ganzes Orchester gesteckt, nur um irgendein mittelalterliches Bildungselitendings neu zu interpretieren. Canterbury Tales, Fotos im Schnee, zerfurchtes Gesicht, ernsthafter Künstler n’ Shit. Doch vor Einfallslosigkeit schützen das auch Onkel Phil nicht.

Die Schlagerradios dieser Welt werden den fast einstündigen Wadenkrampf trotzdem spielen und irgendwas über bahnbrechende Kunst in ihre Mikrophone quengeln. Gemastert und gemischt ist das ganz hervorragend – da hat der 59-jährige Brite offenbar einfach viel zu viel Erfahrung und zu wenig an den Ohren. Doch den Alltagsnahen Hymnen des ökonomischen Aufschwungs, des unbeschwerten Konsums in den ausgehenden Sechziger Jahren fehlt diese schicksalhafte Schwere von Collins besten Songs, ihnen fehlt die Abgründigkeit, es fehlen die kurzfilmischen Musikvideos aus den Achzigern, die fleischigen Akzente des notorischen Fairlight-Synthesizers. Deshalb geht Collins unter.

Dabei wäre Collins gar nicht so weit davon entfernt, wo die Betreiber von Motown selbst hinwollten: US-amerikanische Wohnzimmer, Autoradio, Diners. Motown wollte Alltagskultur werden. Deswegen können Phil Collins gedankenverlorene Coverversionen, mit denen er sich ein paar Jugenderinnerungen zurückholt, gar nicht so falsch sein, sie bohren Songs wie „Heatwave“ oder „Papa was a Rolling Stone“ nur noch weiter in das kulturelle Gedächtnis der westlichen Welt ein. Sie sind aber gleichzeitig so unnötig wie ein iPad oder Lena Meyer-Landrut oder eine iPad-App zur bunten Welt von Lena Meyer-Landrut. Weil dieses Album aber dabei nicht einmal böse oder relevant oder zeitgeistig ist und selbst die Zeit diese Review zu lesen eigentlich besser beim Rollenspielen aufgehoben wäre, verdient diese Belanglosigkeit von Album nur eine Wertung, nämlich gar keine. Und das ist dann immer noch eine Null.

"Going back" von Phil Collins wird am 10.September auf Atlantic erscheinen. Informationen zu Phil Collins findet man hier http://www.philcollins.co.uk

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