Phantome im Biedermeierschloss

Der Designer Robert Stadler wurde vom MAK eingeladen, im Geymüllerschlössel auszustellen. Vom Biedermeier zeigt sich der Ex-Punk mittlerweile angetan.

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Robert Stadler, in Wien geboren und seit langem in Paris lebend, ist ein vielgefragter Mann – sowohl in der internationalen Design- als auch in der Kunstszene. Er macht Interventionen, experimentelles Design in Kleinauflagen, aber auch Serienprodukte, zuletzt u. a. für Thonet. Anlässlich der Vienna Design Week gibt er kommenden Sonntag im Geymüllerschlössel Auskunft über sich und seine Ausstellung mit dem Titel "Back in 5 min". Einen Vorgeschmack darauf gibt er in diesem Interview.

Wie würdest Du jemandem in Paris beschreiben, was das Geymüllerschlössel ist?

Das Geymüllerschlössel ist ein biedermeierliches Stadtpalais, das diese Art von Atmosphäre hat, als wäre jemand gerade auf einen Kaffee gegangen, aber nicht zurückgekommen. Es ist alles so stehen geblieben. Es ist einer jener Orte, die – ähnlich wie die Adolf Loos-Wohnung im Wien Museum, in der ich ja 2008 eine Intervention gemacht habe – irgendwann einmal festgefroren wurden. Wobei das im Falle des Geymüllerschlössels noch krasser ist, weil der letzte Besitzer Uhrensammler war. Die stehengeblieben Uhren schauen einen an, wenn man da durchgeht.

Irritiert dich eine derartige Atmosphäre? Wie reagierst Du auf Idyllisches?

Eine der ersten Ideen war, etwas relativ Radikales zu machen, wenn man so ein starkes Wort dafür benützen will. Wenn man das Geymüllerschlössel betritt, dann verlangsamt sich der Schritt, der Parkettboden knirscht, man geht ehrfürchtig durch. Diese Haltung wollte ich aufbrechen, ich möchte die Leute aufwecken.

Was ist von dieser ersten Idee übrig geblieben?

Ich habe eine cinematografische Sequenz geschaffen: Es gibt etwa gewisse Überraschungsmomente, die durch Bewegungsmelder ausgelöst werden. Darüber hinaus habe ich zwei Objektgruppen gestaltet. Die einen heißen Phantome, die daran erinnern, dass man früher beim Verreisen Tücher über die Möbel gelegt hat. Nur haben wir diese Tücher mit dem jeweiligen Bodenmotiv bedruckt, was einen Camouflage-Effekt hat, als hätte der Boden die Möbel verschluckt. In diese Muster sind auch Verzerrungen eingearbeitet, die man von Google Earth kennt, wenn sich das Bild generiert: So als würde sich dieser Raum durch den Blick des Besuchers neu konfigurieren.

Die andere Objektgruppe sind Möbel, die an rustikale, spartanische Holzmöbel erinnern. Das ist der Versuch, eine Brücke zu schlagen zwischen ländlichen Arbeitsmöbeln und den Wohninseln im Biedermeier, als die Möbel viel leichter konstruiert waren und sich dadurch diese Gruppierungen formen konnten, wo man musiziert, miteinander diskutiert. Das ist ja ein unglaublich moderner Ansatz des Biedermeier, der bis heute nicht verdaut ist: Zimmern nicht eine feste Funktion zuzuordnen, sondern größtmögliche Flexibilität zu haben. Meine Möbel sind aber nicht aus Holz, sondern aus einem zeitgemäßen, leichten Material – Aluminiumwaben-Paneele.

Du unternimmst als Designer seit langem immer wieder Grenzgänge in Richtung Kunst, und das international sehr erfolgreich. Du hast das gemacht, bevor es so richtig populär wurde: Heute machen ja viele Designer Kunst und viele Künstler setzen plötzlich auf Design. Was hältst Du von diesem Hype? Ist es für Dich wichtig, ob Projekte von Dir Kunst oder Design sind?

Ich habe jetzt gerade in Nancy eine Ausstellung gemacht, in der wir genau das thematisieren. Es hat mich mittlerweile gejuckt, mein Statement dazu abzugeben, denn es wird ja viel Unsinn erzählt in dieser Kunst-Design-Vermischung. Wir zeigen dort 100 Objekte von 75 Künstlern und Designern. Die sind alle absolut hierarchielos präsentiert, um einen direkteren Blick zu haben und sie nicht durch die Filter Kunst und Design zu sehen. Doch das Wesentliche ist gar nicht die Frage, ob es Kunst oder Design ist. Es geht darum, sich als Besucher zu fragen: Was erzählt mir ein Ding? Was kann ich damit anfangen? Bevor ich mich mit Frage beschäftige, ob es schön oder ergonomisch ist.

Ich selber nenne mich immer Designer, ich spüre, dass ich Designer bin, bin auch Designer von meiner Ausbildung her. Ich mach auch "echtes" Design. Der erweiterte Designbegriff sollte schon längst etwas total Normales sein. Darüber zu diskutieren, ob der Designer auch mal etwas machen darf, was nicht funktional ist: Das ist doch längst passé.

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Bild(er) © MAK / Mika K. Wisskirchen, Jacques Gavard
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