Politik-Fieberkurven

Hurra, die Welt ist um eine Hitliste reicher. Das Politometer misst die Feuerkraft heimischer, politischer Akteure auf Facebook, Twitter und Google.

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Eigentlich gibt es das Politometer schon länger, nur war es weniger übersichtlich, nämlich als Socialmediaranking. Mit cirka 3800 Einträgen aus allen Bereichen des sozialen Netzes ist die Liste weniger brauchbar, wenn man sich nur für politische Akteure interessiert. Deshalb wurde ausgewählt, nachrecherchiert und neu designt. Der Überblick fällt jetzt leichter. Auch, weil es sich nach einzelnen Gruppen ordnen lässt: Parteien, Politiker, NGOs, Medien und Bürger.

Seit ungefähr einem Jahr wurden Daten abgegriffen. Vor etwa einem halben Jahr stellte dann die APA ihr Service vor. Die Ots.at/twitterlist hatte allerdings einige Lücken, weniger Daten, keine Gewichtungen, keine Gesamtübersicht und kein Facebook. Hinter dem Politometer steht übrigens jener Mikromischkonzern, zu dem auch The Gap gehört. Deshalb sind wir einen Stock höher gegangen, um Niko Alm unsere Fragen zum Politometer per Mail zu schicken.

Verglichen mit den 2,8 Millionen Facebook-Accounts in Österreich sind 10.000 Fans für die SPÖ sehr bescheiden. Das zieht sich quer durch. Liegt das an fehlenden Angeboten von Politikern und Parteien oder am fehlenden Interesse der Leute?

Diese Frage lässt sich freilich nicht durch den Politometer alleine beantworten. Damit erfassen wir zunächst einmal nur die Zahlen. Allerdings zeigt HC Strache vor, dass mehr als 100.000 Fans auch in der Politik möglich sind. Warum das keinem anderen Politiker oder einer Partei bisher gelang, liegt vermutlich eher am Unvermögen – hier tatsächlich nicht wertend gemeint – Menschen generell zu begeistern, als an deren fehlendem Interesse. Die Werte in Social Media korrespondieren auch mit dem Gesamtbild der Personen und Organisationen und reflektieren nicht nur die Fähigkeit mit diesen Werkzeugen umzugehen.

Was muss man hierzulande noch von Obama lernen, der fast 32 Mio. Fans und 22 Mio. Followers hat?

Barack Obama kann nur schwer als Vergleich herhalten, weil seiner Reichweite viele einander begünstigende Faktoren zu Grunde liegen: Die USA sind ca. 40 Mal so groß wie Österreich. Jede Aktivität in Social Media überschreitet viel schneller die für virale Verbreitung notwendige kritische Masse. Außerdem kann er als Early Adopter seinen frühen, leichter möglichen Reichweitenausbau als Startpunkt von hohem Niveau nützen. Und er hat natürlich viele Fans und Followers außerhalb der USA. Dass es österreichischen Politikern gelingt hier Grenzen zu überschreiten, ist eher schwer vorstellbar.

Gelernt werden kann von Obama dementsprechend gar nicht so viel, denn er bedient Social Media über den Umweg eines vielköpfigen Teams in einer nicht vergleichbaren Größenordnung, während hierzulande Politiker vielfach gut beraten wären überhaupt einmal in die direkte Kommunikation einzusteigen.

Strache führt, während Team Kanzler und Team Stronach mit nassen Fetzen begrüßt wurden. Was macht Social Media Auftritte in der Politsphäre authentisch?

Authentizität kann man nicht faken. Menschen haben kein Interesse auf diesem Niveau kommunikativ bedient zu werden. Wir wollen keine Propaganda-Tweets aus einem Kanzlerbüro, wenn uns eigentlich interessiert, was ihn bewegt. HC Strache, aber auch z. B. Sebastian Kurz wirken echt bzw. sind echt. Team Stronach halte ich gar nicht für so erfolglos. Jeder weiß, dass Stronach niemals selbst posten würde. Deswegen ist das Social Media Engagement seines Teams eben auch als Team Stronach authentisch und kommuniziert auch v. a. auf Twitter mediengerecht.


Lässt sich ein Zusammenhang zwischen der Platzierung und politischem Erfolg (Politometer) oder Platzierung und wirtschaftlichem Erfolg (Social Media Ranking) ausmachen?

Beim Politometer ist es für die Beantwortung dieser Frage eindeutig noch zu früh. Wir brauchen mehr Datenhistorie und Laufzeit, um hier Aussagen treffen zu können. Interessant ist je weniger der Score an sich, als die Veränderung des Scores bzw. der Platzierung über einen gewissen Zeitraum. Beim Social Media Ranking haben wir eine derartige Untersuchung schlicht noch nicht angestellt.

Lässt sich mit Social Media überhaupt Politik machen? Taugt es als Feedbackkanal? Oder ist wird es eher dazu verwendet vollendete Tatsachen zu präsentieren?

Meines Erachtens lässt sich in Zukunft ohne diese Kanäle gar keine erfolgreiche Politik machen. Social Media ist Feedbackkanal und Verstärker gleichzeitig. Wer in der Politik diese Chance nicht nützt, hat ein eigenartiges Verständnis von Politik, das eher dem historischen Bild der Verlautbarung und massenmedialer Auseinandersetzung folgt. Diese TV-Logik ist ja noch immer Grundnahrungsmittel der Parteienkommunikation. Träger von Inhalten und Positionen sind aber natürlich Politiker selbst und diese haben, im Gegensatz zur Organisation, wesentlich bessere Voraussetzungen, um in Social Media zu reüssieren und ihre eigenen Zielgruppen zu mobilisieren. Deswegen ist die FPÖ mit der Zuspitzung auf HC Strache auch erfolgreicher als gesichtslose Großparteien.

Wie weit geht die Politsphäre? Sind The Gap, Servus TV und Niko Alm wirklich noch Teil davon?

Die Politiksphäre umfasst im weitesten Sinn alle in diesem Land lebenden Menschen. Leider können wir das nicht in diesem Umfang im Politometer abbilden. Klarerweise sind Parteien und Politiker im Kern der Politiksphäre, um sie herum gruppieren sich aber eine Reihe politische Stakeholders, die sich dadurch auszeichnen, dass sie mit diesem Kern kommunizieren und interagieren. Das reicht natürlich in den Politjournalismus, zu den NGOs, aber auch deutlich messbar in die Bürgersphäre. Medien wie Servus TV oder The Gap haben Politik jedenfalls eindeutig auch zum Inhalt. Ich selbst bin auch politischer Aktivist, wenn auch kein Politiker, aber der Grund, warum ich wie die beiden anderen Accounts im Ranking aufscheine, ist ein anderer: In der Studie Twitterpolitik vom Frühjahr 2012 wurden ca. 400 Twitteraccounts der Politiksphäre zugeordnet. Diese sind vollständig im Politometer erfasst.

Warum eine eigene Website? Warum nicht Filterfunktionen für das Socialmediaranking, das bereits relativ bekannt ist?

Mit einer derartigen Filterfunktion haben wir gestartet als wir oben erwähnte Accounts aus der Studie in das Social Media Ranking eingerechnet haben. Diese Vorversion ist unter socialmediaranking.at/twitterpolitik noch immer abrufbar.

Es lag auf der Hand hier ein eigenes Service zu bauen, das sich auch durch spätere ergänzende Features vom Social Media Ranking abheben könnte.

Wie geht man als Agentur, die für bestimmte Haltungen steht, damit um, dass hier nun eher Populisten das Ranking anführen?

Ganz entspannt. Wir zählen nur und machen damit einmal Fakten leicht erfassbar. Darauf sind Interpretation und Handlung aufgebaut.

Medienwissenschaftlerin Jana Herwig hat im Standard kritisiert, dass solche Rankings immer nur die Spitze des Eisbergs abbilden, der von bekannten Männern dominiert wird, und so den großen Resonanzkörper darunter ignorieren. Wie versucht das Politometer damit umzugehen?

Ganz konkret sind bei den Politikern unter den Top 20 nur 4 Frauen, bei den Journalisten sind es 6. Das entspricht nicht dem internationalen Trend, nämlich dass Frauen Social Media dominieren.

Auch das können wir nur bedingt beeinflussen oder beheben. Die Kritik trifft zu, aber wenn wir die Grundlage dieser Kritik nicht angreifbar machen, bleibt sie nur eine Behauptung. Wenn es nach uns geht, soll der Politometer jedenfalls wachsen und damit besser und umfassender auch diesen Resonanzkörper wiedergeben.

Wie viel Zeit wird ins Beobachten der Netzwerke fließen? Immerhin wechseln Funktionen und Gesichter in der Politiksphäre schnell und laufend, Parteien gründen und Mandatare kaufen liegt voll im Trend …

Wir hoffen, dass wir damit Schritt halten können. Aber noch überfordert uns das Tempo nicht.

www.politometer.at

www.facebook.at/politometer

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