Galionsfigur des Wandels

Klar, Frank Stronach gibt als Politvisionär eine lächerliche Gestalt ab. Letztlich ist er aber vor allem eines: die falsche Galionsfigur eines unaufhaltsamen Wandels.

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Man findet tatsächlich kaum Gründe, warum man Frank Stronach weniger ernst nehmen könnte als, zum Beispiel, die beiden Regierungsparteien. Der greise Geschäftsmann ist in seinem Gebrabbel letztlich nur graduell weniger glaubwürdig als das übrige Politpersonal. Vieles von dem, was er im Fernsehen oder in Zeitungsannoncen von sich gibt, versteht man nicht. Am Akzent liegt’s nicht. Was einen – und das ist jetzt nicht untergriffig, sondern durchaus sachlich gemeint – darauf schließen lässt, dass er bereits leicht dement ist. Doch wofür die beiden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP stehen, lässt sich auch nur mit viel Deutungsvermögen erahnen. Verheerendes Beispiel: Der anstehende Volksentscheid über die allgemeine Wehrpflicht oder ein Berufsheer. Da propagieren doch die beiden Regierungsparteien glatt das Gegenteil von dem, für das sie sich jahrzehntelang stark gemacht haben. Ernst zu nehmend? Geh bitte.

Wie gesagt: Der Unterschied zwischen Stronach und dem Rest ist graduell. Doch es gibt ihn. Was aber weniger an der Überzeugungskraft des Schillingnostalgikers liegt als vielmehr daran, dass seine Mitbewerber derart jenseitig agieren. Sind diese schon kaum mehr auszuhalten, geht Stronach schlicht gar nicht mehr. Warum er dennoch so vielen als wählbar, manchen gar als »Messias von Ebreichsdorf« erscheint? Ich behaupte: Es ist ein kollektives Gespür für Wandel und Veränderung, das keine der bestehenden Parteien kanalisieren kann. Nicht einmal Grüne oder die Piratenpartei, von der sich viele einen konstruktiven Beitrag zur Erneuerung der Demokratie erwarten.

Stronach allerdings ist vielleicht der personifizierte Ausdruck, letztlich aber vor allem die verkehrte Galionsfigur für den als dringlich empfundenen Wandel. Mit seiner dubiosen Mischung aus Wirtschaftsliberalismus und Sozialstaatsnostalgie (wobei sein Mitgefühl nur den »Fleißigen« gilt) verkörpert er einen Old-School-Zugang: eine antiintellektuelle Politik der Abschottung. Er orientiert sich konzeptlos am Gestern (»Ich bin der Behüter der Werte«; Stronach in »Im Zentrum«), fordert Unterordnung und ist zutiefst autoritär (»Die Werte gebe ich vor«).

Weil davon auszugehen ist, dass nicht nur Minderbemittelte ihm dennoch ihre Stimme leihen: Skeptisch an Stronach sollte einen nicht zuletzt machen, dass der Mann es zwar gut meinen mag, er es aber – und er plappert ja nicht erst seit gestern vom Einstieg in die Politik – trotz seiner schier endlosen Mittel und damit Möglichkeiten niemand anderen für sein »Team Stronach« begeistern konnte als einen dubiosen Haufen von Hinterbänklern, politischen Verlierern, willfährigen Geschöpfen der bestehenden Parteiapparate kurz vor deren Exodus aus dem politischen System. Die Erscheinung Frank Stronach ist der nächste – würdelose – Schritt der Selbstauflösung ebendieses; abermals ein Schritt in Richtung Postdemokratie.

Im Schatten von Stronach: die Piraten

Zumindest einen Erkenntnisgewinn verdankt man dem Eintritt des Geschäftsmanns in die politische Arena. Er zwingt einen zur Neubewertung der ebenfalls neu im Spiel auftretenden Piraten. Der Piratenpartei wurde oftmals, auch von mir, Inhaltsleere und Konzeptlosigkeit vorgeworfen. Im Schatten von Stronach wird erst klar, wie unzutreffend und unfair dieser Vorwurf ist. Ihnen mögen Mittel und Möglichkeiten fehlen. Mit ihren Themen und Lösungsansätzen – von Grundrechten über Privatsphäre bis zum bedingungslosen Grundeinkommen – stehen die Piraten für einen konstruktiven Zugang zur Zukunft und haben zumindest einige der brennenden Themen der Zeit auf der Agenda. Der Unaufhaltsamkeit des Wandels all das betreffend widmen sie sich wenigstens mit Fortschrittsglauben. In ihrer Forderung nach »Transparenz« mögen sich die Piraten zwar mit Stronach treffen. Was eben diese zum Beispiel mit »Whistleblowing« und gar »Laizismus« zu tun haben könnte (beides Themen der Piraten), wird einem ein Frank Stronach aber vermutlich nicht vermitteln können. Und wohl auch keiner der Loser aus seinem »Team«.

Thomas Weber, Herausgeber, @th_weber

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