Rausch vs. Gebirge

Das Innsbrucker Heart of Noise Festival sorgt mit Techno und Avantgarde für Kontraste inmitten der Tiroler Bergwelt. Wie das zusammenpasst, erfährt man hier im Interview.

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Bergisel, goldenes Dachl und Nowhere mit seinen "es keat oanfach viel mehr gschmust" Prints. Innsbruck hat Vorzüge, was jedoch Clubkultur und neuere Spielarten von Musik betrifft, sind neben Wien, wohl auch Graz (Elevate), Linz und Krems (Donau Festival) näher dem Heute verbunden, als die Tiroler Landeshauptstadt.

Dass es auch anders geht, beweist jährlich das Heart of Noise Festival. Diesen Juni bereits zum fünften Mal in Folge, hat sich das Festival für Avantgarde, Videokunst und Club-Musik, 2015 ganz dem Hedonismus in all seinen Formen verschrieben. Barrieren sprengen und Kontraste schaffen, mithilfe von Drones, 4×4 Beats und weißem Rauschen. Darum geht es.

Neben österreichischen Acts werden dabei Künstler wie The Bug, Actress, Perc, Objekt, Prurient und ja, Alexander Marcus, nach Innsbruck kommen, um ihre Idee von Clubkultur immitten der einmaligen Bergkulisse Innsbrucks zu präsentieren. Wie das finanzierbar ist, was es mit dem Para Noise Garden auf sich hat und warum Alexander Marcus dabei ist, erklärt einer der beiden Organisatoren, Stefan Meister.

Das Festivalmotto ist heuer "From Ontology to Hedonism with no Breaks". Äh, wie?

Wir versuchen seit Beginn des Festivals zu einer Sprache zu finden, die das leidige Cocooning beendet. Das bedeutet, dass Black Metal HörerInnen keinen Death Metal hören, Chicago House HörerInnen nicht auf Detroit Techno Parties gehen usw. Alles ist überschubladisiert, kleinstgruppiert und subkulturisiert. Dem wollen wir den Reichtum und die Vielseitigkeit entgegenhalten.

Wir verstehen Ontologie und Hedonismus als etwas Gegenüberliegendes, das eigentlich zusammen gehört. Um das zu erleben, gibt es einen Ozean von Möglichkeiten, von guter und zeitrelevanter Musik. Und Menschen wie Lee Fraser oder Valerio Tricoli, die fragen, "Was kann es als Klang denn alles geben?". Oder den Könnern, die im Sinne Jeremy Benthams, dem Vater des modernen Hedonismus, wissen wollen: "Wie lange kann es einem gut gehen?" "Wie intensiv kann es einem gut gehen?" Und wir sagen: Let’s maximize! Gute Musik ist keine Schlaftablette.

Mit Knrrz, Christoph Hinterhuber oder etwa Jung an Tagen setzt ihr auf einheimische Künstler…

Im Grunde war es ursprünglich die Arbeit innerhalb der österreichischen und vor allem lokalen Szene, die uns erst zum Versuch motiviert hat, ein alternatives Musikfestival zu veranstalten. Westösterreich hat eine sehr aktive und spannende Kunst- und Musikszene, die nur ein einziges wesentliches Manko hat, nämlich einen leichten Hauch von völliger überregionaler Unsichtbarkeit.

Heart of Noise ist nicht nur ein Konzertablauf, sondern auch ein Versuch, die lokalen und österreichischen Szenen in internationalen Strömungen und Gegenwartsphänomenen aufzuzeigen. Dazu produzieren wir seit 2013 auch jährlich eine Vinyledition, die stets jungen oder bisher unveröffentlichten Künstlern aus Österreich gewidmet ist.

Des weiteren arbeiten wir mit der digitalen Klasse der "Angewandten" in Wien zusammen und unseren regionalen ArchitekturaktivistInnen von Columbus Next, die den Open-Air Bereich des Festivals, den Para Noise Garden, gestalten.

Der Para Noise Garden klingt interessant. Was erwartet die Besucher dabei?

Der Para Noise Garden dient als offener Kulturraum inmitten der Stadt. Es soll daran erinnert werden, was öffentlicher Raum eigentlich sein kann oder sein sollte, abseits von Parkplatz, Autobahn, Laufsteg und Hamsterrad. Also Klangraum, Freiraum und Lebensraum. Öffentlicher Raum wird heute von der Politik nicht geschaffen, sondern vorenthalten. Ein Ort wie der Para Noise Garden ist dagegen Stadtfeldgenerator, Stadtskulptur und Aufenthaltsort und nicht nur üblicher "Band-Abnick-Biergarten".

In Österreich gibt und gab es Festivals mit Schwerpunkt auf Club und avantgardistischer Elektronik (Donaufestival, Spring, Phonotaktik, Sound:frame usw). Selbst mit Subventionen ist das manchmal schwer machbar. Wie stellt ihr das an, Künstler wie Actress oder The Bug nach Innsbruck holen zu können?

Schön, dass das mal jemand fragt. Wir haben uns über Jahre und mit unseren vorhergehenden Aktivitäten eigentlich schon über Jahrzehnte eine Vertrauensbasis sowohl beim Publikum als auch bei unseren Förderern erarbeiten können.

Bei einem Programm, das sperrig erscheint, weil gerade die spektakulärsten und interessantesten Musikbewegungen von den Kanälen des Mainstreams verborgen werden, ist es nicht selbstverständlich, ein Publikum zu finden. Aber bei uns hat man inzwischen gecheckt, vorne ist da, wo die Post abgeht. Wer einmal beim Heart of Noise war, kommt auch wieder, haben wir Veranstalter, Chris Koubek und ich, zumindest den Eindruck.

Und warum Alexander Marcus?

Bei einem Festival, das als Thema die Pole von Ontologie und Hedonismus hat, eigentlich eine überraschende Frage. Davon abgesehen, dass wir hier schon seit Papaya Fans der cleveren Kunstfigur des Herrn Marcus sind, ist das Booking von Alexander Marcus ein weiterer Versuch, die öde Schubladisierung der Hörgewohnheiten wieder aufzubrechen.

Dem E- und U- Denken von Landschulenpädagogik, Kleinstkulturpolitik und FutonbeschwatzerInnen stellen wir etwas entgegen, das aktive HörerInnen interessiert und vom Underground, des noch nicht Sichtbaren und leider nie Sichtbar Werdenden, zur Ecstasy der Erfolgshedonisten geht.

Und, um einmal unseren Pressetext zu zitieren: "Auf einem Festival, das sich der Errichtung temporärer autonomer Zonen und der Ausweitung, Sprengung und Neufindung von Genres, Stilen und Präsentationen widmet, kann man nicht nur den Vorstellungen antiker Avantgarden entsprechen und sich ausschließlich auf Knirzer, Knarzer, komplizierter BlasinstrumentespielerInnen und ähnliches konzentrieren." Papaya Papaya! Coconut Banana! for Everybody!

Das Heart of Noise Festival findet in Innsbruck vom 18. bis 20. Juni 2015 statt. Das gesamte Line Up gibt es hier.

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