Reflektionen einer großen Karriere

Wer The Cure auch nur vom Hörensagen her kennt, weiß, dass die Band längst Kultstatus genießt. Diesen stellen sie gerade dieser Tage wieder mit einer speziellen Serie von Konzerten unter Beweis.

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Spätestens als sich die ersten schwarz gekleideten Menschen vor dem kleinen beschaulichen Londoner Pub Queen’s Arms einfanden, war es klar, dass sich das Netz der Hardcore-Cure Community rund um die Royal Albert Hall enger zusammen zogen. Dieses legendäre Konzertgebäude hat in seiner langen Geschichte schon so einige klassische und auch poppige Konzert-Highlights erlebt und diente u.a. auch Alfred Hitchcock für seinen Film „The Man Who Knew Too Much“ gleich zweimal als perfekte Kulisse für die finale Attentatszene.

Was die britische Band The Cure aber am 15. November mit ihrem „Reflections“ Konzert bot, kann man schon als eine kleine Sternstunde in der langen Geschichte dieses Hauses bezeichnen, denn es handelte sich nicht um ein Konzert im herkömmlichen Sinn, sondern um die Zelebrierung der ersten drei Alben „Three Imaginary Boys“ (1979), „Seventeen Seconds“ (1980) und „Faith“ (1981). Ähnlich den beiden „Trilogy“ Konzerten in Berlin vor neun Jahren, bei dem die Band mit den Alben „Pornography“ (1982), „Disintegration“ (1989) und „Bloodflowers“ (2000) ihre düstere Seite ausleben konnte, wollte man diesmal abermals unter Beweis stellen, welche Zeitlosigkeit diesen mehr als 30 Jahre alten Songs innewohnt.

Eigentlich war alles ganz anders geplant oder auch eben gar nicht geplant. Im Mai bzw. Juni dieses Jahres wurde die Band von einem australischen Veranstalter und leidenschaftlichen Cure-Fan im Rahmen des Vivid Festivals in die Sydney Opera eingeladen, um ihr „Reflections“ Konzept, mit dem Mastermind schon seit geraumer Zeit schwanger ging, tatsächlich in die Tat umzusetzen. Man wollte nach all den Jahren den getreuen Fans ein besonderes Zuckerl zu bieten, und so willigte Smith erfreut ein – allerdings etwas zum Missfallen der weltweiten Fan-Community, da Australien schon arg weit weg von beinahe allem und jedem war. Deshalb entschloss man sich auch, diesen damals noch „einmaligen“ Event auch mitzufilmen und als Art Versöhnungsgeschenk auf DVD zu bannen.

Sieben Reflections in England und Amerika

Lange sah es auch nicht so aus, als würde es eine Fortsetzung dieser „Reflections“ Idee geben, als dann im Herbst aber doch die Bombe platzte und weitere sieben finale „Reflections“-Konzerte angekündigt wurden. Eines eben in London, drei in Los Angeles und drei in New York, die noch folgen werden. Die Tickets (ca. 5.000 in der Royal Albert Hall) waren in weniger als zwei Minuten ausverkauft. Eines davon dürfte sich auch Tim Burton, der seine Hauptfigur in „Edward mit den Scherenhänden“ mit dem grandiosen Johnny Depp nach der gotischen Lichtgestalt Robert Smith modelliert, ergattert haben. Ganz unprätentiös genoss er sichtlich das Konzert in der Menge und gar nicht Mal aus dem Gästesektor.

Als Robert Smith (Gitarre), Simon Gallup (Bass) und Jason Cooper (Schlagzeug) dann schließlich nahezu pünktlich auf die Bühne kamen, ging ein wohliges Raunen durch die Menge, deren Altersdurchschnitt sich so um die Mitte 30 bis 40 einpendelte. Dass The Cure aber auch viele junge Fans haben, ist landläufig bekannt, was vielleicht auch daran liegt, dass Robert Smith keinerlei Berührungsängste mit nachwachsenden Musikergenerationen hat. Zahlreiche Bands wie Placebo, Korn, Mogwai, Deftones, Editors, Blink 182 und viele mehr beziehen sich auf den legendären Cure Sound, und Robert Smiths Kollaborationen mit Bands wie Crystal Castles, Japanese Popstars, 65daysofstatic oder Faithless verschaffen ihm auch bei Künstlern und Anhängers anderen Musikrichtungen Respekt und Gehör. Diesmal dürfte aber wohl gerade bei den jüngeren Fans die Kartenpreisschmerzgrenze überschritten worden sein, auch wenn die Preise für diese einmalige Location und die Dreieinhalbstundendauer des Konzerts angemessen schienen.

Ohne große Worte zu verlieren, startete das Trio dann auch chronologisch mit einem All-Time-Favourite „10:15 Saturday Night“ ins erste Album Set. Der Sound klang frischer, dichter und intensiver als auf dem damals noch sehr billig produzierten Studiopendant aus dem Jahre 1979, nicht nur weil er live war, sondern weil er über die Jahre gereift ist. Es machte den drei Herren sichtlich Spaß, das Haus zum Beben zu bringen. Es folgten Songs, die The Cure über die Jahre immer wieder auf ihren Tourneen zum Besten gaben. Am „ein“-druckvollsten kamen dabei „Grinding Halt“ und „Fire in Cairo“ rüber. Nach der Jimmy Hendrix Cover Version von „Foxy Lady“ gestand Smith, dass er es nie für möglich gehalten hätte, diesen Song jemals hier in der RAH live aufzuführen:

http://www.youtube.com/watch?v=dhALp_B7nqY&feature=youtu.be

Als Abschluss des Sets folgten dann noch der Titelsong „Three Imaginary Boys“ und die kurze Instrumentalnummer „The Weedy Burton“. Ein 5 Minuten Umbaupause brachte eine wohltuende kurze Erholung nach dieser ersten unglaublichen Zeitreise. Danach ging es als Quartett – so wie das Album „Seventeen Seconds“ musikalisch eben benötigt – erweitert um ein Keyboard (Roger O’Donnell) weiter.

Zu den Highlights dieses Sets zählten mit Sicherheit der Fanliebling „Play for Today“, ein doch eher überraschend intensives „In Your House“, die klaustrophobische Basshymne „A Forest“ und der Titeltrack „Seventeen Seconds“. Roger O’Donnell, nach einigen Jahren der Absenz wieder an die Keys zurückgekehrt, verlieh diesen alten Perlen den nötigen Touch of Class und diesen unverwechselbar schwebenden Sound.

Wieder folgte eine 5 Minuten Pause und – wenn man es nicht schon von Sydney her gewusst hätte – wäre die Überraschung perfekt gewesen, denn mit Lol Tolhurst (Keys & Percussions) kehrte eine Cure-Urgestein für diese „Reflections“-Konzerte zurück, das Robert Smith 1989 in Schimpf und Schande weggejagt hatte. Obendrauf folgte noch ein jahrelanger Rechtsstreit. Nun scheint aber alles vergessen und begraben, und die Fans johlten vor Freude, war doch Tolhurst Mitte der 80er Jahre das letztverbliebene Cure Member, das die Band neben Smith noch am Leben erhalten hatte. Ein wahrlich bewegender Moment. Als Quintett zelebrierte man nun das Kultalbum „Faith“, das mit Songs wie "Primary“, „The Funeral Party", "Drowning Man", "Faith" bis heute zu den echten Klassikern der gesamten Populärmusik zählt.

Drei Zugabenblöcke

Die Band war aber immer noch hungrig, und so stürzte man sich ohne viel Zeit zu verlieren in den ersten von drei Zugabenblöcken, der sich unter anderem die B-Seiten der drei Alben vorknöpfte. Auf dem Programm standen aber alles andere als Lückenfüller. „Plastic Passion“, „Boys don´t Cry“ (in der Tat damals nur eine B-Seite), „Jumping Someone Elses Train“ und „Killing an Arab“, bei dem sich Smith wieder entschloss, „Arab“ anstelle von „Another“, für das die Band nach dem World Trade Centre Anschlägen optiert hatte, zu singen, da sich der Song bekanntlich auf Albert Camus Roman „Der Fremde“ bezieht.

Der zweite Zugabenblock bracht ein Wiederhören mit der Single „Charlotte Sometimes“ und dem Set-Ausreißer „The Hanging Garden“ (eig. vom Album "Pornography"). Beim instrumentalen Song „Descent“ war wunderschön zu beobachten, wie Simon Gallup im Nebel sein Plektrum sucht. Dieser wahrlich menschliche Moment ist hier nachzusehen:

http://www.youtube.com/watch?v=QKtxLEPMVTA&feature=youtu.be

Den dritten Zugabenblock konnte man wohl als eine Art Reminiszenz an Lol Tolhurst, mit dem Smith wohl die poppigste Phase von The Cure erlebte, sehen: "Let´s go to Bed", "The Walk" und das abschließende "The Lovecats" beschlossen einen denkwürdigen, dreieinhalb Stunden Abend, den man in der Sydney Version hoffentlich bald auch zuhause im Patschenkino Revue passieren lassen kann. Wer nicht live dabei war, wird dann wenigstens einen kleinen Eindruck davon bekommen, wie wichtig The Cure immer noch sind!

Diverse Live-Bilder aus der Royal Albert Hall hat der Blog Chain Of Flowers hier zusammengestellt.

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