Niemand glaubt, dass Michael Häupl gemeinsame Sache mit blauen Krawallbrüdern machen würde. Wer ihm dereinst als – roter – Bürgermeister nachfolgen soll, wäre aber eine interessante Entscheidungsgrundlage für die anstehende Wien-Wahl. Zeit, eine Kronprinzessin oder einen -prinzen ins Spiel zu bringen, Herr Bürgermeister!
Nein, dass derlei in Niederösterreich auch nicht passiert ist, gilt nicht als Ausrede. Wien sollte da wirklich anders sein. Denn in den vergangenen Wochen wird zwar viel über mögliche und unmögliche Koalitionskonstellationen diskutiert – wobei da mittlerweile fast alles denkbar scheint. Auch, dass die Stadt-SP in Wien anders als in anderen Bundesländern keinesfalls mit den populistischen Postfaschisten von der FPÖ zusammenarbeiten werde, hat Michael Häupl unmissverständlich und glaubwürdig klargestellt. Aber wirklich Konkretes hat man vom amtierenden Bürgermeister – immerhin Jahrgang 1949 – über die eigene Nachfolge noch nicht gehört.
Dass Häupl über diese nicht alleine entscheiden und herrschaftlich verfügen könne, mag nicht ganz falsch sein, schiene angesichts seiner realen Machtbasis als Begründung doch eher fadenscheinig.
Zumal er persönliche Präferenzen sonst auch nicht zurückhält. Etwa persönliche Regierungsvorlieben. Wir wissen mittlerweile, dass er als Bürgermeister sicher nicht mit der FPÖ koalieren möchte und auch mit den Neos bitte eher lieber nicht. Dass ihm – no na! – am allerliebsten wieder eine absolute rote Mehrheit, er aber auch für ein Dacapo von Rot-Grün zu haben wäre. Und wenn sich die Schwarzen schon so aufdrängen, dann warum nicht auch mit den verstreuten Resten der Stadtkonservativen. So weit, so kalkuliert, so nachvollziehbar.
Wer kommt nach?
Mindestens genauso wichtig wie mit wem eine rote Zusammenarbeit künftig denkbar ist, wäre aber eine klare Ansage, wen er sich als Nachfolger vorstellen kann. Gerade weil die Wiener SPÖ die Wahl – völlig zu Recht – als Richtungsentscheid verkaufen wird. Es geht immerhin um das, was das Rote Wien ausmacht bzw. das, wie es – nicht ganz verkehrt – Rot-Grün weitergedacht hat. Immer wieder ist aus dem Rathaus zu hören, dass – kein Wunder – das interne Hickhack um die Häupl-Nachfolge längst begonnen hat. »Wir reden vor der Wahl nicht über Koalitionen. Wir reden über uns«, meinte der Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler unlängst in St. Marx. Wenn diese Ansage ernst zu nehmen ist, dann muss Häupl Stamm- und potenziellen Wählern wie Parteifreundinnen reinen Wein einschenken, über wen sie in den nächsten Wochen nachdenken, für wen sie mobil machen und von wem sie die Bevölkerung überzeugen sollen. Das Risiko, dass sich eine Handvoll Personen, die sich jetzt noch Chancen für seine Nachfolge ausrechnen, im Wahlkampf vielleicht weniger engagieren, hat ein Kaliber wie Häupl dabei staatsmännisch in Kauf zu nehmen.
Networking oder Spritzwein?
Schließlich macht es keinen geringen Unterschied, ob die Geschicke der Stadt künftig eine frauennetzwerkende Finanzpolitikerin wie Renate Brauner, ein slicker Manager wie Norbert Kettner (der sich als Gründer der Kreativagentur Departure verdient gemacht und als Tourismusdirektor der Stadt nun schon länger die globale Positionierung Wiens über hat) oder doch ein trinkfester, leutseliger Bezirksfunktionär lenkt, der dafür bekannt ist, am Stammtisch auch Freiheitliche abzuholen. Wo selbst in kleinen Parteien wie bei den Grünen das Spektrum an politischen Überzeugungen, Pragmatismus- aber auch Populismusbereitschaft ein breites ist, ist es bei einer Volkspartei wie auch die SPÖ eine ist, riesengroß. Zumal die finanzielle Lage die Stadt in den nächsten Jahren wohl dazu zwingen wird, weniger Geld auszugeben. Wo wird eher eingespart? Bleibt genügend Geld für Kultur? Wie positioniert man sich in den Verteilungskämpfen zwischen Hochkultur und den prekären Subkultur- und Off-Szenen? Fördert man Start-ups und die Kreativwirtschaft? Kürzt man gar die Gelder für den Life Ball? Fragen über Fragen, die – auch wenn das manche leugnen mögen – weit mehr als das soziale Klima betreffen, sondern sich massiv auf das Lebensgefühl nicht nur von Wien auswirken, sondern auch weit darüber hinaus.
Deshalb: Schenken Sie uns reinen Wein ein, Herr Bürgermeister! Vielleicht gibt es dann ja sogar Grund, sich am Wahlabend den Spritzwein bringen zu lassen.
Der Herausgeber auf Twitter: @th_weber