Brutalismus im Burgenland, vom Verschwinden bedroht. Ein Blick auf das äußerlich noch original belassene Kulturzentrum Mattersburg.
Der Brutalismus ist »ein Architekturstil der Moderne. Der Ursprung der Bezeichnung liegt unter anderem im französischen Begriff béton brut (roher Beton), der auf ein wesentliches Definitionsmerkmal des Stils verweist, nämlich die Materialsichtigkeit des Baus«, weiß Freund Wiki. Klingt theoretisch, ist aber in natura recht einfach: Im Brutalismus verformt sich grauer Beton zu monströsen Gebilden.
Die von den 1950ern bis in die 1980er fast weltweit entstandenen Bauten im Stil des Brutalismus sind heute teilweise vom Abriss bedroht. Fehlende Wertschätzung, mangelnde Wärmedämmung und/oder anstehende notwendige Renovierungsarbeiten bedrohen die Monster. Initiiert vom Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main läuft deshalb zur Zeit die Aktion »SOS Brutalismus. Rettet die Betonmonster«. Wir berichteten. Jedermann ist angehalten, entsprechende Gebäude zu melden. Diese werden nach Errichtungsdatum, Kontinent und Status ihrer Gefährdung (gerettet vs. gefährdet) gelistet. Momentan sind 900 Gebäude weltweit verzeichnet. 19 davon stehen in Österreich, das berühmteste ist die 1976 in Betrieb genommene Kirche zur Heiligsten Dreifaltigkeit in Wien-Mauer, besser bekannt als Wotrubakirche. Zehn der gelisteten Gebäude stehen im Burgenland.
Rettet das Kulturzentrum Mattersburg!
So auch das am 22. Mai 1976 eröffnete Kulturzentrum Mattersburg. Dort fanden im Lauf der Zeit ein Bühnensaal, ein Restaurant, Seminarräume, Büroräumlichkeiten, die Volkshochschule, das Literaturhaus, ein Jugendzentrum, ein »Institut für politische Bildung«, Nächtigungsmöglichkeiten für KünstlerInnen etc. Platz. Im Frühling 2014 wurden altersbedingte Abrisspläne und die Idee eines Neubaus, der auf lange Sicht betrachtet günstiger als eine Sanierung kommen soll, am gleichen Standort bekannt. Daraufhin formierte sich die überparteiliche Plattform Rettet das Kulturzentrum Mattersburg und sammelte so lange Unterschriften, bis die Verantwortlichen einlenkten und einem Architekturwettbewerb zustimmten. Ziel sei es laut ORF, »die relevanten architektonischen Elemente des Altbaus« zu erhalten »und mit moderner Architektur« zu kombinieren. Kurioses Detail am Rande: Herwig Graf, der Architekt des KUZ Mattersburg, ist für dessen Erhaltung; Matthias Szauer, unter anderem Architekt des 1977 eröffneten und stilistisch verwandten Kulturzentrums Güssing, befürwortet einen Neubau in Mattersburg.
Respektvolle Erhaltung?
Im Frühling 2016 wurde das Siegerprojekt vorgestellt, bei dem rund ein Drittel des ursprünglichen Gebäudes erhalten werden soll. Rettet das Kulturzentrum Mattersburg spricht ob des siegreichen Entwurfes von einem Worst-Case-Szenario – und will weiter für einen behutsamen Umgang mit dem Gebäude kämpfen. Denn, so Sonja Sieber von der Plattform: »Das Siegerprojekt von Holodeck Architects hat leider all unsere Befürchtungen bestätigt. Es zu verwirklichen, bedeutet eigentlich einen Totalabriss des Kulturzentrums. Vom ursprünglichen Gebäude, das in den 1970er Jahren errichtet wurde, bliebe – bis auf zwei Fassadenfragmente, einen Lüftungsschacht und eine plastische Attika – nichts erhalten. Daher kann von einer respektvollen Erhaltung des Bestandsobjektes keine Rede sein. Es ist für uns daher sehr verwunderlich, dass gerade dieses Projekt den ersten Preis beim Wettbewerb gewann, denn einige der anderen eingereichten Projekte hätten eine weitgehende Erhaltung und eine sanfte Weiterentwicklung des Hauses ermöglicht.«
Momentan steht der Koloss schon länger komplett leer – und ist noch in seiner ganzen ursprünglichen Pracht bestaunbar. Schauen Sie sich das an – jetzt könnte die letzte Chance dazu sein …