Als lange Haare noch ins Gesicht hingen, Levis zerrissen waren und Streifenpullis Mottenlöcher hatten: Diese Platte lässt sich nicht so schnell zu einem weichgespülten Alltagsindierock degradieren.
Und wieder einmal war es soweit, dass Michael Benjamin Lerner, kreatives Zentrum und einzig beständiges Mitglied von Telekinesis, Gleichgesinnte um sich scharte um die Welt mit neuen Pophymnen zu beglücken. Auch dieses Mal blieb Lerner dem Death Cab for Cutie Produzenten Walla treu, der die frappierende Ähnlichkeit zwischen Lerners und Ben Gibbards Stimme noch zu verstärken scheint. So ist auch "12 Desperate Straight Lines" ein Plädoyer an die Leichtigkeit des Seins, in dem Lerner, wie kein Anderer, das Spiel zwischen Laut und Leise versteht. Neben lieblichen, verspielten Melodien, wie in "Please Ask For Help", das an den wunderschönen The Cure Klassiker "Pictures Of You" erinnert, wird der Zuhörer in "50 Ways" von einer gewaltigen Geräuschkollision harter Gitarrenriffs, stampfenden Drums und hypnotisierenden Bassrhythmen überrollt, das bei live Konzerten für Haargeschüttel und waghalsige Springeinlagen sorgen wird.
Unverkennbar ist der starke Einfluss Lerners Heimat Seattle, die Wiege des 90er Jahre Grunge, die für den rohen Garagensound Verantwortung trägt. "I Cannot Love You" schafft es jene, für lange Zeit nicht kompatibel erachteten, musikalischen Strömungen in einer stimmigen Symbiose zu vereinen. Oder noch mehr, Lerner gelingt es seiner Musik Persönlichkeit zu verleihen: ein konsequent geführter Alternativrock mit einem stets süßen Popzuckerguss, der es der feinfühligen Hörergemeinschaft ermöglicht den besungenen Weltschmerz – mit einem Lächeln und Augenzwinkern – für einen kurzen Moment auf die leichte Schulter zu nehmen ("Car Crash"). Mit dem reduzierten "Patterns" kommen Telekinesis erstmals zur Ruhe, so wird einem erst hier die Schwermütigkeit der Texte bewusst, um danach im selbstironischen "Gotta Get It Right Now" der Vernunft endgültig zu entsagen. In "12 Desperate Straigh Lines" ist der Titel Programm: Telekinesis liefern 12 kraftvolle, geradlinige Songs, die ohne wenn und aber auf den Punkt kommen.