»Black Hole« zeigt uns paradigmatische Szenen jugendlicher Selbstentfremdung, die transformiert und verdichtet werden und schließlich sich selbst transzendieren, indem sie auf etwas Abgründiges und Verdrängtes hinweisen. Ein schwarzes Loch, das inmitten unserer Existenz klafft.
»Black Hole« beginnt mit einer Standardszene amerikanischen High-School-Lebens: dem Sezieren eines Frosches im Biologieunterricht. Keith kollabiert beim Aufschneiden des Tiers und fantasiert von ovalen Öffnungen, Schlangen und Knochen. Allesamt Symbole, in denen sich das schwarze Loch demUnbekümmerten zum ersten Mal erschließt. Benommen aufblickend strahlen ihm die Fratzen seiner Mitschüler entgegen – in ihren realen und erträumten Erlebnissen erschließt sich auch dem Leser nach und nach Keiths Vorahnung. Die in ihren Ergebnissen nicht antizipierbare, pubertäre Körpertransformation und die damit einhergehende Selbstentfremdung verdichten sich zur Mutation, ausgelöst durch ein seltsames Virus, das nur Teenager zu befallen scheint, durch Sex übertragen wird und insbesondere das äußere Erscheinungsbild negativ beeinflusst: Warzen, Beulen, Wunden und Deformationen für die ohnehin Unpopulären, subtilere Mutationen wie regelmäßige Häutung oder ein zweiter Mund am Hals für die Populären. Das bringt den wichtigen Unterschied mit sich, dass die eine Form der Mutation sich verbergen lässt, während die andere zum sozialen Ausschluss prädestiniert.
Das Bedrohlichste bleiben dabei die Menschen füreinander und die schwarzen Löcher in ihnen, die ihr Ausschluss aus der »Gemeinschaft« (oder die Angst davor) hinterlässt. In den Unpopulären, an deren Gesichter man sich nicht erinnert, wächst etwas und kommt – nachdem die Sehnsucht nach Liebe und Anerkennung endgültig und vollkommen enttäuscht worden ist – in seiner ganzen Brutalität zum Vorschein.
»Black Hole« ist schlicht und einfach ein Meisterwerk. Burns Stil der perfekten Linien und Schwarz-Weiß Kontraste, die das Weiß direkt aus der pechschwarzen Dunkelheit strahlen lassen, erzeugt einen anfangs subtilen, dann immer intensiver werdenden Sog, wenn die Details der Bilder im Verlauf des Lesens immer stärker zu wirken beginnen. Jede Perspektive, die Burns einnimmt, scheint mit Bedeutung versehen zu sein, jede Distanz zwischen und zu den Figuren scheint uns irgendetwas mitzuteilen. Wir sehen ihre Regungen und Erregungen, sehen was sie sehen und fantasieren – alles in Schwarz-Weiß gegossen, nah und plastisch.
Burns Erzählkunst steht seinem zeichnerischen Geschick um nichts nach: Erlebnisse, Erinnerungen, Träume und Visionen verschmelzen, sind durch Symbole verbunden (die ovale Öffnung als Wunde, als Vagina, als Dimensionsspalt) und dennoch wird alles in einem konsistenten Handlungsverlauf integriert. Und schließlich gelingt Burns auch noch ein Ende, das schon manchen jugendlichen Comic-Enthusiasten – so sagt man – zum Weinen gebracht hat.