The Man Of Glass

Nur ein paar Seiten
Es ist überwältigend, welch starke Emotionen man auf wenige, beinahe wortlose Seiten bannen kann. »The Man Of Glass« schafft dies auf zutiefst berührende Weise.

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Es ist ein klassisches Drama. Viele tausende Male zum Besten gegeben, in vielen tausenden Variationen und Interpretationen. Der Schicksalsschlag, der das Leben heimsucht. Die Schuldgefühle, die Verluste und unerfüllten Sehnsüchte. Dieser alte Mann, der sich an eine andere Zeit erinnert, als er noch ein Boxer war, eine Familie hatte. Die Erinnerungen, manche fetzenhafte, flüchtige Impressionen längst vergessener Ereignisse. Andere wieder klar und schneidend, als ob kein Tag vergangen wäre. Auch der süßeste Traum kann bitter werden.

»The Man Of Glass« füllt eben mal 40 Seiten. Das schmale Heftchen würde in einem Regal kaum auffallen, der Titel und der Name des Autors sind auf dem dürren Rücken gerade noch leserlich. Aber hat man das Glück, es in die Hand genommen und durch seine stillen Seiten geblättert zu haben, dann verwandelt es sich. Plötzlich wiegt es schwer in den Händen und ist umhüllt von einem Sturm an Eindrücken, Emotionen, fremden und eigenen Erinnerungen. Tage später noch erfasst eine berauschende Schwere das Herz, wenn einem das einfache Cover – der fleischige Boxer, sein Kopf gesenkt – in den Sinn kommt. Martin Flink (Nielsen) tauchte als Gigant der essentiellen Verknappung aus der dänischen Comic-Szene auf. Bereits aus den Selbstveröffentlichungen »Epilepsi« (2005, 12 Seiten) und »Robotten« (2006, 8 Seiten) spricht überwältigende Dichte und Fokussierung. In Flinks simpler Bildsprache verhüllt sich eine wahre Supernova an fokussierten Impressionen. Seine Comics zu lesen ist beinahe so, als ob man alles selbst erleben und spüren würde. »The Man Of Glass« führt seine Kunstfertigkeit auf ein unglaubliches Niveau.

Selbst bei größter Distanziertheit ist es unmöglich, nach der Lektüre unberührt zu bleiben. Flinks Bilder reiten auf heimlichen Wegen in unser Unbewusstes, erblühen dort zu Fragmenten aus einem fiktiven Leben. Er schafft es, die Grenzen zwischen der eigenen Realität und der fiktiven Realität verschwimmen zu lassen.

»The Man Of Glass« ist das erste internationale Comic von Martin Flink. Es ist zu hoffen, dass jede weitere seiner Arbeiten ein solches Erdbeben verursachen kann.

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