A Long Way Down

Das höfliche Knistern – Der deutsche Musiker und Produzent wirft die weich summenden Synthesizer an und packt die Beats in Schaumstoff.

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Gemessen am quantitativ doch recht dünnen musikalischen Output und der Medienscheu der Gruppe war in den vergangenen drei, vier Jahren sehr, sehr oft die Rede von Boards of Canada. Das schottische Duo hat, ohne große Absicht, jeden Chillwaver, jede Schlafzimmer-Beat-Bastlerin und so ziemlich alles, was da irgendwer einmal unter dem Kürzel IDM „Intelligent Dance Music“ geheißen hat, direkt oder unbewusst über zwei Ecken beeinflusst: Nostalgie in verwaschenen Sound-Wänden spiegeln, freundliches Knacksen und Knistern, rappelige – gern aus dem HipHop gezogene – Beats, ein Klangdesign, das sich an vergilbter Super-8-Ästhetik abarbeitet, Samples aus wissenschaftlichen TV-Shows der 70er-Jahre, der eigenen Kindheit – all das haben Boards of Canada schon früh als eigene Sprache formuliert und mit ihrem Klassiker „Music Has The Right To Children“ 1998 unerschütterlich in Tonträger gegossen.

Der aus Kiel stammende Wahllondoner Ulrich Schnauss sitzt in direkter Nachbarschaft zu Boards of Canada. Wenngleich ihm der ganz große innovative Einfall bislang noch nicht geglückt ist, so hat Schnauss Anfang der Nuller-Jahre mit “Far Away Trains Passing By“ und „A Strangely Isolated Place“ zwei ziemlich hervorragende Alben aus der Abteilung IDM oder Indietronica veröffentlicht, die vor allem an der Umcodierung britischer – auf Gitarrenbasis generierter – Shoegaze-Musik in Elektronik interessiert waren. Das alles ist auf Schnauss’ neuem Album nicht groß anders. Da und dort tönen die Stücke finsterer und scharfkantiger als von ihm gewohnt oder scheinen sich, kosmisch zwitschernd, auf die Synthesizer-affine „Berliner Schule“ von Krautrock um Tangerine Dream zu beziehen. Insgesamt aber schlingert, brummt und poltert hier doch alles nach wie vor toll lieblich. Elektronische Popmusik, die die Sehnsucht in Sound bannt und sich jetzt schon bestens für die Vertonung von Fernsehdokumentationen über Polar-Expeditionen und Pinguin-Reisen anbietet. Das ist alles andere als das Schlechteste, mitunter jedoch gar putzig und auf Emotion hin konstruiert.

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