Aleph

Das Debüt des Mann im Anzug mag weder voll überzeugen, noch groß enttäuschen. Zu sehr schwankt er zwischen alten Idealen und neuer Überzeugungen.

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Einem Künstler, der seinen Namen aus dem Wort „Gesamtkunstwerk“ und dem Familiennamen Albert Einstein’s zusammensetzt, muss man einen gewissen Hang zur Selbstdarstellung zugestehen. Mike Levy hat genau das getan und veröffentlicht seit 2008 unter dem Schachtelnamen Gesaffelstein technoiden Electro. Genau diese leicht überzeichnete Selbstdarstellung war für den aus Lyon stammenden DJ und Produzenten immer Teil des Konzepts. Sowohl sein adrettes Bühnenoutfit – Anzug, gepaart mit zwei Packungen Zigaretten – als auch sein Produktionsstil, wurden schnell zu Markenzeichen und besitzen bis heute hohen Wiedererkennungswert.

Gesaffelstein auf seinen Anzug zu reduzieren wäre allerdings ein Kurzschuss, denn er ist ohne Zweifel einer der begabtesten Produzenten seiner Generation. Die Idee, aufgeräumte Tracks mit Industrial-, French Electro- und Techno-Elementen zu produzieren, fand nicht nur viele Nachahmer, sondern war auch das Erfolgsrezept sämtlicher EPs. Zuletzt wurde Gesaffelstein von Kanye West geadelt, als Levy gemeinsam mit seinem Jugendfreund Brodinski, zwei Tracks für Wests minimalistischen Egomanen-Trip „Yeezus“, darunter die Single „Black Skinhead“, produzierte. Nicht nur das zeugt von seiner Genialität und Vielseitigkeit, sondern auch der Schritt, die minimalistische „Yeezus“-Coveridee nun für sein erstes Album, „Aleph“, einem Update zu unterziehen.

Aber klammert man das Cover des Albums aus, haben seine Produktionen, respektive das Album, wenig mit Minimalismus zu tun. Rasante French Electro-Beats, rasselnde Basslines, sowie eine düster-morbide Atmosphäre waren stets ausschlaggebend für Gesaffelsteins unverkennbaren Sound. Auf „Aleph“ finden sich abgesehen von einigen wenigen Core-Tracks, wie der Single „Pursuit“ – inklusive visual-overkill Video – wenig, dass an alte Glanztaten im Graubereich zwischen Techno und Electro anschließen könnte. Das ist mitunter auch der Hauptgrund, warum das Album die meiste Zeit unschlüssig ist und bleibt.

Einerseits ist „Aleph“ ein Hörerlebnis, eine Machtdemonstration dessen, wie ein Album klingen sollte – aufgeräumt, satt und ideenreich. Anderseits befinden wir uns nicht mehr im Jahr 2006, Electro ist schon lange nicht mehr der Hot Shit und Kavinsky, Sebastien Tellier und Boys Noize auf einem Album sein zu wollen, funktionierte selten bis nie. Diesen beiden Faktoren ist es auch geschuldet, dass das Album weder homogen, noch entschlossen wirkt. Nichtsdestotrotz ist „Aleph“ über weite Strecken nonchalant und effektiv, und das ist nicht zuletzt Gesaffelsteins manchmal ironischer, aber stets wirksamen Selbstdarstellung geschuldet.

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