Alle anderen

Nabelschauen am Swimmingpool

Beziehungskino für Bobos und „Alle anderen“: Maren Ade seziert unnachgiebig und berührend eine Lebensgemeinschaft zwischen Ironie und Distinktionsgewinnlertum.

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Wenn Kreativarbeiter in Urlaub fahren: „Du, wir müssen uns mal über unser Sexualleben unterhalten“, erklärt der Anfang-Dreißiger seiner Lebensgefährtin am Pool ernst. Dann fischt er grinsend eine Ingwerwurzel aus seinem Hosentürl: Das ist Schnappi, der wird mir in Zukunft helfen, zwinker-zwinker … Gitti (energisch: Minichmayr) ist PR-Mitarbeiterin bei Universal, Chris (gekonnt träge: Eidinger) ein begabter, kompromissloser Jungarchitekt in der Warteschleife zum großen Durchbruch. Beide sind sie Meister des Spielerischen, Ironischen, Nicht-so-Gemeinten. „Alle anderen“ dokumentiert, mit fast verbissener Genauigkeit, einen Ausschnitt ihres gemeinsamen Urlaubs auf Sardinien: Ohne den dauerjugendlichen, nonkonformistischen Habitus der beiden als Pose zu denunzieren, lässt Maren Ade („Der Wald vor lauter Bäumen“) in ruhigen Einstellungen und minutiös komponierten Dialogen permanent Unstimmigkeiten, Ausweichmanöver und Selbstzweifel durchklingen. Bereitwillig lässt sich Chris von Gitti schminken, dem nervigen Ferienhaus-Nachbarn will er sich aber lieber nicht so zeigen. Ob sie ihn denn männlich genug finde, fragt er Gitti kurz darauf. „Dann mach doch heute mal was Männliches und schau, ob ich es merke“, schlägt sie ihm etwas ratlos vor. Was in der Zweisamkeit auf kleiner Flamme dahinköchelt eskaliert, als ein anderes Paar in die Beziehungsblase eindringt: Zwei Begegnungen mit Chris’ Studienfreund Hans (Wagner) und dessen Freundin Sana (Marischka) treiben die Unsicher- und -zufriedenheiten des Paares an die Oberfläche. Während Gitti das gönnerhafte Alphamännchen-Getue von Hans abweist, will Chris dem erfolgreicheren, selbstbewussteren Kollegen unbedingt gefallen. Wenn er den Gästen in einer der dichtesten Szenen des Films die Kitschfigurensammlung seiner Mutter vorführt, wirkt Chris’ kultivierte Häme anbiedernder als jedes Miniaturglaskätzchen. Bisweilen hat die Unnachgiebigkeit, mit der Ade über ihren Hauptfiguren lauert, etwas Erdrückendes, zumal der Film selbst zum verspielten Tonfall des Paares keine wirkliche Alternative formuliert: Ihre Begrenztheit ist seine eigene. Aus dem Ironie-Fegefeuer führt hier nicht einmal ein jäher, theatralischer Fenstersprung heraus: „Können wir bitte mal normal reden?“

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