Eine Militärdiktatur wie aus dem Bilderbuch …
Guy Delisle reist als zeichnender Beobachter durch die politischen Wirren und gewalttätigen Abgründe Südostasiens.
Mit den „Aufzeichnungen aus Birma“ setzt Guy Delisle seine Reisereportagen in Comicform fort. Diesmal begleitet er seine für Ärzte ohne Grenzen engagierte Frau Nadège in die Militärdiktatur Birma. Delisles schwungvoller, transparenter und szenisch pointierter Zeichenstil sorgt für einen schnellen und unbekümmerten Einstieg in sein neues Werk. Die bestimmenden Motive sind schon nach den ersten Seiten umrissen: Es wird diesmal ein „Familienausflug“, bei dem Delisle die Rolle des Hausmanns übernimmt, während seine Frau Nadège ihren Aufgaben als Vertreterin ihrer NGO nachgeht. Doch auch Guy ist nicht ganz privat, erlaubt ihm doch sein Gewerbe als Comic-Künstler überall zu arbeiten und sich dazu noch von exotischen Schauplätzen inspirieren zu lassen. In Birma entspinnen sich so die ersten Episoden, die unser Zeichner und Hauptprotagonist gemeinsam mit seinem kleinen Sohn durchlebt. Sind es zunächst noch eher banale Hindernisse – ungewohnte Temperaturen, der Eishauch der Klimaanlagen und fahrlässig montierte Steckdosen – die überwunden werden müssen, sieht sich bald auch unser harmloser „Tourist“ mit dem allgegenwärtigen Einfluss des Militärregimes konfrontiert: Propaganda und Zensur, Straßensperren, undurchsichtige Verwaltungsabläufe, Friedensnobelpreisträger in Hausarrest.
Delisle beschreibt all dies in einem nüchternen, zurückhaltend kritischen, aber immer episodenhaften Stil – und macht zumindest in dieser formalen Hinsicht keinen Unterschied zwischen banalen, interessanten oder lustigen Erlebnissen und Menschenrechtsverletzungen. Die eigene Ohnmacht wird dennoch kritisch mitreflektiert – die Leserin teilt mit dem Zeichner den Blick der „Touristin“, der weitgehend Uninformierten und Unbeteiligten, für die nur ein kleiner, für sie vorgesehener Ausschnitt der Wirklichkeit dieses Landes sichtbar wird. Wir laufen so an einem Panorama flüchtiger Eindrücke vorbei – Birma ist noch immer weit weg, weitgehend unbekannt. Wir verfolgen die Theatervorstellung, die humorvoll, informativ und sogar kritisch ist, auf einer Art Vorbühne, verzichten aber darauf – wie in einem stillen Abkommen mit unserem Reisebegleiter – hinter den eigentlichen Vorhang zu sehen.