Can’t Stop, Won’t Stop
Das englische Label Planet Mu holt hochprozentige Rhythmuspartikel aus einer kulturellen Dunkelkammer Chicagos in den Halbschatten der Welt.
Kurz vor Jahreswechsel war was los im Hühnerstall. Auf der Footwork-Compilation des Labels Planet Mu donnerten schwer durchschaubare Schwälle von schnalzenden Claps, synkopisierten Säbelzahn-Hi-Hats und stotternden Vocals aus den Boxen, roh wie einige der ärgsten Acid House-Tracks, wie die finstersten Momente früher Grime-Tage, wie kolossaler Dubstep, nur ohne den Bass. Kinnlade ab. Wie aus einer historischen Blase ist Footwork, eine Mutation von Juke House, in die Welt geplatzt. Die Spuren reichen zurück bis in den frühesten Chicago House, die verschiedenen Clans und Dance Gangs sind über die Stadt verstreut, die Musik mal eher in der Sporthalle, dann wieder im Club daheim. Immer wieder hätte es Gelegenheit gegeben, Footwork zu entdecken, sich Sporen für den eigenen Blog zu verdienen, indem man als erster darüber schreibt. Vier Jahre nach dem Urknall von Dubstep fiel den Musikredaktionen Europas die Footwork-Compilation von Planet Mu in die Hände. Ah, jetzt geschnallt, urwichtig das.
Footwork-Performances sieht man sich besser im Internet an. Da werden auf flirrendem Tempo die Beine verbogen. Die Tracks sind kohärent, manchmal bis hin zur Schablone, und dennoch sind auch deutliche Unterschiede hörbar. Tha Pope hat scheinbar eine Schwäche für Wild Style Pitches der Vocals. Während DJ Killa E seinen Track »Star Wars« mit einem gecutteten Retorten-Orchestertusch-Sample radikal überlädt. DJ Trouble beweist, dass sich selbst ultra-gefilterte Heavy Metal-Gitarren mit den Snare-Salven von Footwork vertragen. Nicht umsonst ist in einigen Artikeln bereits gefragt worden, ob die Fußarbeiter aus Chicago nicht in den falschen Zaubertrank-Bottich gefallen sind.
Juke also. Voll Low-Tech und Fremdkörper. Warum ausgerechnet das Thema geworden ist? Vielleicht nur, weil Footwork zur Abwechslung etwas Neues, Obskures ist; ein unentdecktes Land voll mit nicht-dechiffrierten Bedeutungen, ein Thema zum Angeben in der Disco. Blöd nur, dass Footwork auch wirklich unglaublich roh, düster, wie aus der Zeit und der Kultur gefallen klingt.