Blau, Rot, Weiße Wärme

Überrumpel-di-pumpel

Selbstbeschränkung war gestern. Karl Ritter, breiteren Publikumsschichten bislang vor allem im Schatten Kurt Ostbahns strahlend aufgefallen, widmet sich gleich auf drei zeitgleich erschienenen Alben seiner Gitarre. Ziemlich wuchtige Sache!

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Beim Durchhören dieser drei CDs – sehr wahrscheinlich bei der Mitte der roten, spätestens aber im Verlauf der weißen – äfft der Mund irgendwann den eines Karpfens nach und formt zwei Worte: „UA!“ „OAG!“

Erklärt ist damit freilich nichts, und es ist nicht gesagt, dass der Klangkosmos, den Karl Ritter hier teils in schockierender Intensität, teils in malerischen Tönen aufschließt, überhaupt schlüssig erklärt werden kann und soll.

Wer Ritter ein bisschen kennt, weiß, dass der Gitarrist als langjähriges Mitglied der Kurt-Ostbahn-Bands nur einen Ausschnitt seines eigenen musikalischen Kosmos zur Schau stellen konnte und sich daher schon früh auf Side- und Solo-Projekte verlegte, die einen weiten Bogen von Roots- bis zur Avantgarde-Musik spannten. Die nun vorliegenden drei Alben – ein blaues und ein rotes mit dem Titel „Ritter“, ein weißes mit dem Trio Weiße Wände – lassen Ritters Kreativität völlig freien Lauf.

Heftig ist vor allem das rote Album ausgefallen, auf dem der Künstler seine elektrische Seite zeigt. Kernstücke sind „zaffkaesk“ und das fast zehnminütige „zaffka“, zwei kathartische Prüfungsaufgaben, in denen Ritter mit explodierenden, wummernden Sounds den Beweis antritt, dass Gitarrenlärm keine Gewöhnungserscheinungen hervorruft, wenn er richtig gemacht wird. Die neuneinhalb Minuten voll kreissägenartiger Klänge in „Drachenflug“ setzen noch eins drauf und überstrahlen kürzere, ruhigere Stücke – die Selbstbeschränkung, die kommerziell orientierte Produzenten so gern empfehlen, hätte aber wohl die Intensität der Platte gemindert.

Das blaue, „akustische“ Album ist weniger fordernd, dabei keineswegs flach: Hier legt Ritter teils luftige, teils zappelig aufgeregte Stücke hin, die seine Beschäftigung mit amerikanischer und afrikanischer Roots-Musik widerspiegeln. Am weißen Album (die Beatles-Parallelen, die der offizielle Begleittext nahe legt, wirken etwas gekünstelt) unterfüttert Ritter gemeinsam mit Drummer Herbert Pirker Texte von Sprecher/Sänger Christian Reiner mit dramatischen Improvisationen – mit ihren düsteren Stimmungen und heftigen Steigerungen hören sich die Stücke allesamt nach Katastrophengeschichten mit ungewissem Ausgang an. Bei all seinen Wegen in den Soundkosmos rennt Ritter gegen die Grenzen seines Instruments an, doch er verleugnet die Gitarre nicht, sondern nutzt all ihre Möglichkeiten. Sein Dreifach-Release überrumpelt zunächst mit der Breite seines Spektrums, die Faszination für die originelle Stimme des Musikers kommt aber ziemlich bald nach.

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