Made in America – Es geht nicht um Musik. Es geht um US-Mythen und ihre Wiedergeburt. Vorerst.
Star Spangled Banner, Skaten, Las Vegas, gefallene Stars, Hollywood – dass es bei Lana Del Rey ganz essenziell um die Melancholie des amerikanischen Traums geht, steht in ungefähr jedem Text über sie. Sogar die i>BILD vom »Lebensgefühl einer von Abstiegsängsten und Selbstmitleid gequälten urbanen Mittelschicht«. Die Verzerrungen, die Wunden in diesem Traum sind offensichtlich. Seine mythischen Symbole werden mit Polizeigewalt, Glückspiel, Gangstern und barockem Dekor gegengeschnitten und erzählen so von ihrer eigenen Dekadenz. Lana Del Reys Videos sind voll von diesen inneren Widersprüchen. Ihre Bezüge auf die 90er – Tupac, Gangs und VCRs – und ihre Myspace-Hipstamatic-Video-Ästhetik werden dabei häufig übersehen. Es geht jedenfalls um viel mehr als nur schöne Bilder aus dem Gestern, um viel mehr als flauschige Nostalgie. Der Traum von Freiheit und dem Streben nach Glück ist so stark, dass er an seiner schärfsten Kritik noch wachsen kann. Die USA haben das in ihrer Geschichte immer wieder bewiesen, nach der Großen Depression der 30er, nach der Ölkrise und Deindustrialisierung seit den 70ern, nach der Immobilienblase. Lana Del Rey ordnet nationale Symbole neu an und webt diese in symphonischen Pop ein. Sie verkörpert eine Metamorphose der amerikanischen Diva, ihr Gesicht ist das Abbild einer Verwandlung.
Oder aber – geht es am Ende doch um die Musik? Lana Del Reys Karriere wurde nach einem zittrigen TV-Auftritt bei Saturday Night Live bereits zu Grabe getragen. Die Diskussion über authentisch? oder fake? war doch schon erledigt. Ein Phänomen wie Lana Del Rey lässt sich nicht am Reißbrett erfinden, auch wenn die Behauptung es wäre so, praktisch und gefällig ist. Der Vorwurf wiegt aber in den USA schwerer als diesseits des Atlantiks (wo das Konzept »Pop« in England im Umfeld der Pop Art erfunden und berühmt wurde). Immerhin war 2011 das Jahr ehrlichen, schnörkellosen Songwritings: Adele hat allein mit ihrer Stimme vorerst die Musikindustrie gerettet. Lana Del Rey hat dagegen gerade einmal eineinhalb echte Hits und bereits ein mächtiges Referenzfeuerwerk verschossen. Ja, »Born To Die« ist eine große Geschichte über die Erneuerungskraft der Vereinigten Staaten, die berauschend und intelligent in Szene gesetzt ist. Nur muss Lana Del Rey das Vokabular für ein komplettes Album, für Musik, die ihren Images nur halbwegs ebenbürtig ist, erst noch finden und entfalten.