Die New York Dolls, ein noch vor der offiziellen Geburt des Punk im Big Apple gefeiertes Drag-Rock-Phänomen, haben soeben ihr viertes Studioalbum in 36 Jahren veröffentlicht. Ähnlich Iggy Pop‘s Stooges oder Lou Reed‘s Velvet Underground entdeckte man diese wahnwitzigen Protopunker, die mit ihren trashigen Travestie-Outfits irgendwo zwischen Garage und Glam dahinschrammten, erst lange nach ihrer aktiven Karriere.
Von der Originalbesetzung leben heute nur noch zwei Mitglieder, vier sind bereits tot. Egal, ob Mick Jagger sich seinerzeit seine aufreizenden Posen alle von Dolls-Sänger David Johansen abgekupfert hat oder nicht, zusammen mit Gitarrist Sylvain steht dieser immer noch für eingängige, hingerotzte Kracher – heute mit etwas weniger Sex, etwas weniger Wut und auch mal zwei ruhigen Stücken hintereinander. Rock’n’Roll-Nonchalance, hörbar gemacht durch einen lockeren Umgang mit Genres und Stilen, der von Garage-Appeal („Cause I Sez So“), Country („Better Than You“) über Pop („Lonely So Long“), R’n‘B („Nobody Got No Bizness“) zu Reggae („Trash“) oder Blues („This Is Ridiculous“) ein breites Spektrum abdeckt, ohne konstruiert zu wirken. Und dann gibt’s auch noch den fabelhaften Ohrwurm „Temptation To Exist“ von Johansen, dessen Stimme sich dabei sofort magnetisch in die Gehörwindungen schraubt. Begnadete Simplizisten jedenfalls, bei denen man hinterher gar nicht mehr genau sagen kann, wo und wann jetzt genau – doch liegt nicht genau das im Wesen dieser, äh, Punk-Musik?