Beste Beziehungen

Hau hin

Gnadenlos hackt Gustav Ernst mit seinen Figuren in Konflikt-Sketches zwischen Splatter-Trash und Wahnsinn herum. Der Autor und Kolik-Herausgeber gibt sich in seinem neuen Roman »Beste Beziehungen« gewohnt kraftmeierisch, angriffslustig und grauslich körperlich. Die expliziten Monologe stoßen dabei an die Grenze des rhetorisch Erträglichen.

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»Wenn zwei Menschen zusammenkommen, vor allem ein Mann und eine Frau, streiten sie. Wenn nicht gleich, dann bald. Wenn sie längere Zeit zusammen sind, dann sicher bald. Männer und Frauen passen halt nicht zusammen. Kurz vielleicht, aber nicht lang.«

Im Laufe der Geschichte haben wir den Spleen entwickelt, den Menschen, mit dem wir die anstrengenden Tätigkeiten der Kindererziehung und des Bettenteilens ausführen, auch noch lieben zu wollen. Die freie Partnerwahl ersetzte mehr und mehr das elterliche Heiratsarrangement, was den oben angesprochenen Streitfaktor nicht unbedingt verringert. Nach wie vor ist das Unterfangen immer dann noch um einen Grad schwieriger, wenn die soziale Schicht der beiden nicht homogen ist (reiches Mädl, armer Bub oder umgekehrt). Hier gezeigt am Beispiel Lisa und Franz. Sie als materialistischer Familientyrann, fühlt sich ständig bemüßigt, sich mit anderen Leuten zu messen und projiziert diesen Leistungsdruck auf den romantischen Franz, der sich Luft verschafft, in dem er aus heiterem Himmel seelenruhig alle mit der Hacke erschlägt. Meistens spielt dabei Sex bzw. der Nicht-Sex eine Rolle. Und eigentlich immer die Triebe. Das unglaubliche Streben nach Macht, nach einer perversen Erfüllung, nach Reichtum, nach Ausbrechen aus dem Leben. Das Gemetzel gibt es in jeder Schicht. Mit Küchenmesser, Hacke oder Pistole. Früher oder später verlieren alle die Fassung. »Dem 55-jährigen Gymnasiallehrer Philipp S., bisher unbescholten, wird vorgeworfen, seine siebenjährige Nichte während der Nachhilfestunden, die er ihr gab, mehrmals missbraucht zu haben«, steht dann in der Zeitung. Wie in Glavinics »Der Kameramörder« tritt auch hier unweigerlich die Sensationslust, dieser Medienvoyeurismus am Grauen an die Themenoberfläche. Die These, dass Reality-TV einen besonderen Service für das Gefühlsmanagement und die Emotionskontrolle seiner Zuschauer bietet, gibt es ja. Gewaltdisponierte, die sich zugleich ängstlich und fremdbestimmt erleben, konfrontieren sich mit dem, was sie beunruhigt. Gustav Ernst liefert in »Beste Beziehungen« blanke Nerven im Drehbuchstil. Mit Hilfe einer stark formalisierten Sprache, die vor allem auf Monologen, indirekter Rede und Wiederholungen beruht, strickt er immer engmaschiger ein Beziehungsnetz aus Sexualität und Tod.

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