Corpus Delicti – Ein Prozess

Diktatur der Fitness
Der zehnte Roman von Juli Zeh müht sich an den Themen Gesundheit und Überwachung ab. Ein dystopisches Horrorszenario, das nur selten wirklich überzeugt.

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Als „weiblicher George Orwell der Gegenwart“ tituliert, konnte die Schriftstellerin und studierte Juristin Juli Zeh mit ihrem gleichnamigen Theaterstück bereits vergangenen Herbst bei der RuhrTriennale wieder von sich reden machen. Nun hat sie ihr dystopisches Stück zu einem filmdramaturgisch anmutenden Roman umgeschrieben. Und das Gute daran ist: es ist beinahe fremdworteinstreufrei. Zum Inhalt: Ein unerschrockenes Geschwisterpaar, Mia und Moritz Holl, die der Mitte des 21. Jahrhunderts herrschenden Methode einer Gesundheitsdiktatur kritisch gegenüberstehen, geht es nicht nur buchstäblich an den Kragen. Denn der vernunftbegabten 30-jährigen Naturwissenschaftlerin wird wegen methodenfeindlicher Umtriebe der Prozess gemacht. Nicht nur hat sie sich ihrer Idealbiografie mit fehlenden Schlaf- und Ernährungsberichten als abtrünnig erwiesen, sie kann auch keinen immunologisch kompatiblen Partner aufweisen und entzieht sich den obligatorischen Überwachungskontrollen. Die Zeitung „Der gesunde Menschenverstand“, sowie die Talkshow „Was alle denken“, deren Star der als Kontrapunkt auf die Protagonistin angesetzte Publizist Heinrich Kramer ist, sind dabei die mächtigen Ventile, um die Terroristen der „R.A.K“ (Recht auf Krankheit) zu schmähen. Rauchen ist natürlich verboten und die Lebensmittel kommen aus der Tube. Die Autorin spart in weiterer Folge kaum mit allerlei schlauen Anekdoten und Diskursmaterial zu Themen, die unter den Fingernägeln brennen, zum Grübeln lädt das zehnte Werk der 1974 in Bonn Geborenen aber nur an ausgesuchten Stellen ein. Was ist Freiheit? Ist der Mensch nur ein Gartenzwerg? Etc.pp. Der Rest vermag sicherlich anzustacheln, Parallelen zu politischen Systemen und Diskussionskultur zu ziehen, vieles in „Corpus Delicti“ ist aber auch nicht mehr neu. Eher ist man versucht, einen binären Suchbaum über den Text zu jagen um herauszufiltern, wie viele Wörter darin wie oft vorkommen. Besser als Zehs unbeholfene Essays zum „Dritte-Welle-Feminismus“, die sie in der /Süddeutsche Zeitung/ publiziert hat, ist das aber allemal.

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