Mit Lärm poliert
Herrlich krachige Lo-Fi-Euphorie mit hymnischem Anspruch: Times New Viking pfeifen auf Hochglanzpolitur. Und fahren gut damit.
Wikipedia verrät, dass sich Times New Viking bei der Wahl ihres Bandnamens von einer allseits bekannten Schriftart inspirieren ließen. Etwas preiszugeben haben auch Keyboarderin Beth Murphy und Drummer Adam Elliott: Bei der Bandgründung hatten sie von ihren jeweiligen Instrumenten wenig Ahnung. Der Dritte im Bunde, Jared Phillips, heute an der Gitarre, kam ebenfalls als blutiger Anfänger zum Trio. Nichtsdestotrotz setzten sich die Kunststudenten aus Columbus, Ohio, 2005 zusammen und krächzten sich »Dig Yourself« aus dem Leib. Zusammengebaut haben sie es in Handarbeit, zu einer Zeit, als Do-It-Yourself gerade mal wieder weniger dem Zeitgeist entsprach. Beschrieben wurde der Sound der Lo-Fi-Artisten seinerzeit als Reinkarnation von 90er-Bands wie Pavement.
Seit damals sind einige Jahre ins Land gezogen, die Amateuraufnahmen auf Tape und VHS wurden erstmals durch professionelle Studiotechnik ersetzt – und doch klingt das fünfte Album der Band immer noch so, als wäre es eine Demo. Dazu kommt, dass die 14 Stücke auf »Dancer Equired« einander so sehr ähneln, dass man Unterschiede in dem noisigen Geschrammel beim oberflächlichen Hören kaum ausmachen kann. Stimmlich klingen Times New Viking so, als griffen sie statt zum Mikro lieber zum Megaphon. Glücklicherweise ist die Lautstärke derart hochgefahren, dass man musikalische Mängel gar nicht erst bemerkt. Und dann hört man etwas raus, das man bei all dem Getöse nicht vermutet hätte: zarte Melodiebögen (»No Room To Live«) und die zauberhafte Stimme Murphys, unsicher zuweilen und wenig ausbalanciert, aber dennoch einnehmend (»California Roll«). Die drei Musiker können auf ihrer fünften Platte mit Liebe zum Detail und deutlich elaborierterer Technik aufwarten. Besonders zur Geltung kommt dies in Liedern wie »Want To Exist« oder »No Room To Live«, einem Song, in dem sich das elegische Brummen von Elliotts Stimme, vermischt mit jenem Murphys, durchaus in den Ohrwindungen festsetzt. Was Times New Viking von sich geben, mag zwar zu Beginn unausgegoren wirken, tatsächlich ist es aber eine begnadete Gratwanderung zwischen Lärm und genial reduzierten Kompositionen.