Reportagen 1937-1987
Wäre Powerfrau nicht so ein unattraktives Wort, wäre Martha Gellhorn als solche zu beschreiben. In der Rolle „Ehefrau von Ernest Hemingway“ durfte man bestimmt schon mal von Haus aus nicht zimperlich sein.
Im Feld der Kriegsberichtserstattung kann Martha Gellhorn ihrem Kurzzeit-Ehemann easy das Wasser reichen. Ihre persönliche Timeline als Berichterstatterin geopolitischer Konflikte umfasst den Zeitraum von 1937-1987 und wurde nun neu herausgegeben. Die Ausschnitte verschmelzen letztlich zu einem einzigen dichtgedrängten, erschreckenden Bild, wie eine redaktionelle Umsetzung von Picassos Gemälde Guernica. Der Krieg erzählt in Wahrheit nur eine Geschichte, die Handlung basiert auf Hunger, Obdachlosigkeit, Furcht, Schmerz und Verlust.
Die Pressesprecher der US-Armee, die Vorsager der amerikanischen Presse, waren ein engstirniger Haufen, dem es nicht passte, dass eine Frau bei den Kampftruppen Korrespondentin sein sollte. Doch Gellhorn agiert wie ein Fußsoldat: wagemutig und am Boden der Tatsachen. Sie schreibt darüber anregend und seriös zugleich. Jener dreckigen Schlammspur, die der Krieg zieht, spürt sie über den ganzen Globus verteilt nach und berichtet reportagenartig.
Der Journalismus verwandelte sich für die Autorin in einen Fluchtweg, das Niederschreiben zur einer Verarbeitung des Erlebten. Journalisten erkennt sie nach und nach als edelmütige Minderheit gegen Windmühlen der politischen Dummheit kämpfend, an niemanden adressiert. Bis das Unheil eintrifft, denn die Menschheit ist eher bereit Lügen zu schlucken als die warnende Wahrheit zu glauben. Das Leitfeuer des Journalismus war nicht heller als das Leuchten eines Glühwürmchens, aber nur in dieser Rolle hatte sie die Chance die Dramen ihrer Zeit an den vielen Schauplätzen mitzuerleben.
Gellhorn erhebt mit diesem Buch ihre Stimme nicht revolutionär zum Protest. Beharrlich wie das Zirpen einer Grille beschreibt sie aber ungeschönt ihre Umgebung, den zerstörten Kriegssteppen ringsumher. Sie liegt auf dem Feldbett, hört den Mäusen und Granaten zu und gibt dem Krieg die Stimme der Luftwaffenhelferinnen, der Lazarettschiffbesatzung und der Generäle für die Nachwelt. Durch den Feldstecher sieht man das, was sich im Geschichtsunterricht oftmals nicht mehr ausgeht: Das Gesicht des Krieges.