Auf Durchreise im Café Nirwana
Süchtig nach dem Leben, lebte Jörg Fauser permanent am Limit. Intensive Erfahrung war für ihn zentrale Voraussetzung für sein Schreiben: Als Reporter und Essayist schuf er so in 70er und 80er Jahren die erste deutschsprachige Pop-Literatur.
Jörg Fauser war ein leidenschaftlicher, unstillbarer Autor – er schrieb Gedichte, Hörspiele, Polemiken, Kolumnen, Erzählungen, Reportagen, Romane, textete Songs und experimentierte mit der Cut-Up-Methode der Beats. Am besten war er aber als Journalist, in der essayistischen Form lag seine Stärke, dort fand er zu seinem subkulturellen Selbstverständnis. Als Relikt einer vergangenen Literatur-Epoche wäre er, der einen Tag nach seinem 43. Geburtstag 1987 beim Überqueren der A 94 unter einem LKW starb, wahrscheinlich gänzlich in Vergessenheit geraten, wenn nicht der Berliner Alexander Verlag sein Gesamtwerk sorgfältig wiederauflegen würde. Quasi als Krönung ist nun mit „Der Strand der Städte“ die 1600 Seiten starke Sammlung all seiner journalistischen Arbeiten von 1959-1987 erschienen. Der über ein Kilo schwere Ziegel lässt sich als literarische Autobiografie ebenso lesen wie als brillante (Sub-)Kulturgeschichte der 70er und 80er Jahre.
Sein Thema hat Fauser schon früh gefunden: Es ist das „Pflaster und der Strand, der Strand der Städte, auch ihr Strandgut, die Besessenen und die Berauschten, die Gäste im Café Nirvana und die Pensionisten im Desaster-Hotel, die ewigen Stromer und die verstrolchten Träumer“. Erstmals zwischen zwei Buchdeckeln finden sich hier längst verschollene Beiträge aus den 60er Jahren für die /Frankfurter Hefte/, Texte aus den frühen 70ern für die Untergrundzeitschriften /Ufo/, /Zoom/ sowie das Zeitgeist-Magazin /Twen/, Reportagen der 80er für /Playboy/, /Lui, /TransAtlantik/, /Spiegel/ und /Stern/ sowie Kolumnen und Rezensionen für das Berliner Stadtmagazin /Tip/. Die Essays handeln vorwiegend von dem, was unter die Haut geht: Drogen und Tod, eingepackt in literarische Porträts, Reiseschilderungen, Rezensionen über Film und Kultur. Fauser berichtet aus Tanger, L.A. und New York, schreibt über Vietnam und den Libanon ebenso wie über Fallada, Kerouac und Bukowski. Welch begnadeter Stilist Fauser trotz seiner jahrelangen Heroinsucht stets geblieben ist, zeigt sich in der exakten Bobachtung und scharfen Beurteilungsgabe seiner Texte. Als Seismograph gesellschaftlicher Erschütterungen war Fauser unschlagbar – und am Ende fand er auch meist eine Pointe, die alles erklärte.