Die Frau des Metzgers

Das Phänomen Altersmilde ist sattsam bekannt. In „Die Frau des Metzgers“ erzählt ein alter Datterer in charmantem Plauderton wie er als 19jähriger sensitiver Metzger in ungeschlachter Umgebung seine große Liebe kennen lernte. Die Leser sind um den Finger gewickelt, auf der Seite des Herrn, vor allem, weil er auch noch freimütig über den Kirchenplunder und […]

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Das Phänomen Altersmilde ist sattsam bekannt. In „Die Frau des Metzgers“ erzählt ein alter Datterer in charmantem Plauderton wie er als 19jähriger sensitiver Metzger in ungeschlachter Umgebung seine große Liebe kennen lernte. Die Leser sind um den Finger gewickelt, auf der Seite des Herrn, vor allem, weil er auch noch freimütig über den Kirchenplunder und Religionsquatsch lästert und meint: „Ich war mir einfach sicher, dass das nicht stimmt, was die Pfaffen verzapften. Ein hoffnungsloser Fall, bis heute.“ Eine derartige Figur erweckt natürlich Interesse, die schlichte aber treffende Sprache tut ein Übriges. Man ist gefesselt und ergriffen. Da macht einer glauben, dass Liebe seinerzeit einfach nicht vorhanden gewesen wäre, ihm aber das Glück widerfuhr, ein Hildi kennen zu lernen, das ihm klar machte, was Liebe ist. Hildi kam nicht „aus einer hablichen Familie“ und des Hildis Vater war „ein Sürmel von einem Mann“ in den gestrengen Augen des Metzgers Hans Meister („Hanswurst – Meisterfleisch“ sollte das Firmenschild später lauten). Hans respektierte den Vater nicht, weil er im Sitzen arbeitete, Uhrmacher war, und eine Knute brauchte, um seine Kinder im Griff zu haben. Nun erzählt der 92jährige Hans Meister erzählt seiner Enkelin die Geschichte vom Kennenlernen bis zum Tod seiner großen Liebe. Eine Geschichte von den 1920er bis 1990er Jahren. Das ist natürlich jede Menge Stoff. Weil der lebenslustige Greis den Tod nahen spürt, gibt er sich schonungslos und freimütig, möchte abladen, versucht zu hinterfragen, kommt aber doch nicht aus seiner Haut raus, und versucht seine mitunter schwer verdaulichen Ansichten erklärlich zu machen. Dieses Buch lässt einen die Ungerechtigkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse begreifen, führt einem vor Augen, warum sich so lange nichts änderte – ein trauriges, aber wichtiges Buch. Ein Monument für eine große Schweigerin. Eine uneingeschränkte Empfehlung.

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