In ihrer Aufsatzsammlung vertieft und diskutiert Judith Butler Themen und Thesen aus ihren früheren Werken. Die Beiträge reichen von alternativen Familienmodellen, dem Verschwinden der Familie bis zur Regulierung von Intersexualität und Transsexualität.
In der nun erschienen Übersetzung ihrer Essaysammlung „Undoing Gender“ aus dem Jahr 2004 will Butler Missverständnisse aus dem Weg räumen, die die von ihr eingeführte Unterscheidung von Sex (biologisches Geschlecht) und Gender (soziales Geschlecht) im feministischen Diskurs ausgelöst haben und den Lesern die Grundlagen ihrer Theorie aufs Neue ins Gedächtnis rufen. Butler definiert Gender als »eine Art von Tun (…), eine unablässig vollzogene Tätigkeit, die zum Teil ohne eigenes Wissen und ohne eigenes Wollen abläuft«. Gender ist nicht nur durch biologische Parameter determiniert, sondern wir erzeugen es durch unser Sprechen und Handeln. Gender ist nicht an Zuschreibungen wie „Mann“ oder „Frau“ gebunden. Unser Handeln aber ist eingeschränkt, und Butler möchte Möglichkeiten aufzeigen, bestehende Muster, Regeln und Ordnungen zu durchbrechen. Möglichkeiten zeigen, die eigene Identität neu zu gestalten. In zwölf Texten widmet sich Butler unterschiedlichen und zum Teil sehr komplexen Themen. Zum Beispiel geht sie der Frage nach, ob es sich bei Verwandtschaft um eine „kontingente soziale Praxis“ handelt, ob das Inzestverbot eigentlich nur dazu dient, die herrschende Geschlechterordnung zu verfestigen. Und sie kritisiert den Umgang in unserer Gesellschaft mit transsexuellen und intersexuellen Menschen, stellt die Frage nach „bloßem“ und „lebenswertem“ Leben.
Noch immer werden in unserer Gesellschaft Intersexualität und Transsexualität pathologisiert. Menschen, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterziehen wollen, müssen bevor sie das können (d.h. Zuschüsse von der Krankenkasse bekommen), psychologische Tests machen. Besonders in ihren jüngeren Texten beschäftigt Butler sich mit Transgender- und Intersexualitätsbewegungen. Sie spricht sich gegen die gängige Praxis aus, „Säuglinge und Kleinkinder mit geschlechtlich nicht eindeutiger oder hermaphroditischer Anatomie im Namen einer Normalisierung dieser Körper zwangsweise chirurgischen Eingriffen zu unterziehen.“ Die Normalisierung intersexueller Menschen zeigt sehr deutlich, wie Gender-Kategorien dazu benutzt werden um Menschen zu normalisieren. Die Kategorien Geschlecht, Familie und Verwandtschaft werden laut Butler dazu verwendet, um die Gesellschaft zu regulieren. Sie stellt konventionelle Familien- und Verwandtschaftsstrukturen in Frage und setzt sich für neue Formen der Gemeinschaft, die sie Solidargemeinschaften nennt, ein. Butlers Beiträge machen jedenfalls darauf aufmerksam, dass doch noch nicht so viel erreicht ist, wie wir uns gerne einreden.