In Zeiten medialen Trommelwirbels rund um den 25. Todestag kommt der Skandal billig hochgetuned: Thomas Bernhard lebt! So weit, so inszeniert, so überflüssig diese Verschwörungstheorie.
Täte man diesen PR-Aufwand über den rückgängig gemachten Promi-Tod wegdenken, fände man ungezwungener Zugang zur fiktiven Reportage auf der Suche nach dem Schreiben und Treiben Thomas Bernhards.
So aber reiht sie sich als weitere Konsequenz in den Prozess der Moralisierung, der eine typisch österreichische Umgangsform ist: Bernhards durchschlagende Wirkung ist zu einem Großteil der Skandale geschuldet. Nach einer angemessenen Nachfrist wandelte sich der Ruf vom Netzbeschmutzer zu einem Nationalhelden mit entsprechend öffentlichem Gewicht. Die „Mozartisierung“ stellt Bernhard neben Lipizzaner und Salzburger Nockerl. Die weitere Stufe ist wiederum die Kritik daran. – Die Postmozartisierung Bernhards und damit einhergehend die Satire über Bernhard-Journalisten, Kulturjournalisten, die die Phasen beobachten und beleuchten (und im Nachhinein Bernhardianer der ersten Stunde waren, naturgemäß). Man könnte meinen die Idee zur Wiederbelebung Bernhards stamme von Claus Peymann, der einmal gesagt haben soll: „Ich träume ständig von Bernhard. Und zwar träume ich, dass er lebt – und nur getarnt gestorben ist. Um der ganzen Welt, dem ganzen Rummel zu entkommen.“ Wer könnte es dem Misanthropen verdenken? Alexander Schimmelbusch begibt sich auf die Reise eines Gedankenexperiments. Ziel ist es Thomas Bernhard aufzuspüren, der seinen Tod nur vorgetäuscht hat und sein zweites Leben als Franz Josef Murau auf Mallorca verbringt. Dem Erzähler, einem schnöseligen Kulturjournalisten, der sich durch naiv verblendete Dekadenz auszeichnet, werden Verlegerbriefe von Siegfried Unseld zugespielt. Den Tonfall Siegfried Unselds könne er wie als App mühelos abrufen, meinte dazu der Autor Schimmelbusch. Den Bernhardton anzuschlagen sei hingegen ein Tabu. Ankläge finden sich freilich, doch es bleibt bei subtilen Tönen und den kleinsten gemeinsamen Nenner finden Thomas Bernhard und der Erzähler in ihrem ausgeprägten Sinn für das Schöne. Dekadenz lässt ihn sich ausufernd verlieren in luxuriösem Leben und großsspurigen Übertreibungen. Geld und Alkohol fließen in rauen Mengen. Der Erzähler kategorisiert satirisch ohne Rücksicht auf Verlust und Vorurteil. Das Zynische wuchert wie in Deix-Karikaturen. Dabei verfällt er stark ins Monologische. Dann kommt, was mehr als überflüssig ist: Mit der persönlichen Verarbeitung eines Trennungstraumas und mit Randbemerkungen zur Exfrau muss sparsamer gehaushaltet werden. Sie wirken wie Lückenfüller, unausgegoren wie der verstörende Schlussteil.
Bis dorthin bleibt Thomas Bernhard selbst das ganze Buch über die Leerstelle, die unkonkreteste Figur. Auf seiner spanischen Hacienda ist er mittlerweile Teil geworden davon, was er ewig verachtet hatte: Kleinbürgerlich.