Nach eigenen Regeln – Über fünfhundert unabhängige Ministaaten weltweit proben den Aufstand gegen gesellschaftliche Verbindlichkeiten. Paul Poet hat sich auf die Reise gemacht und einen wuchernden, unebenen Abenteuerdokumentarfilm erbeutet.
Aus besetzten Parks, Plätzen und Hörsälen dringt in den letzten Monaten und Jahren dieselbe Botschaft: dass die Ausrede von Sachzwängen ein Ablenkungsmanöver ist, dass Gesellschaft auch anders geht. Die Probe aufs Exempel machen schon seit Jahrzehnten Mikronationen, die sich – teils institutionell anerkannt, teils in Schlupflöchern eingenistet oder offen umkämpft – aus den Verbindlichkeiten der umgebenden Gesellschaft ausgelinkt haben. Auf eigenem Territorium, das oft nicht größer ist als eine Farm oder ein paar Flöße, leben diese Kleingemeinschaften nach eigenen Regeln. Über dreißig dieser Mini-Imperien hat der österreichische Filmemacher und Kulturjournalist Paul Poet besucht und sechs davon zum Gegenstand einer filmischen Zusammenschau gemacht. Entstanden ist in diesem achtjährigen Arbeitsprozess eine Ode an das Eigensinnige, Widerborstige, auch Versponnene dieser Experimente. Diesen Film drängt es, in einer ständigen Vorwärtsbewegung, die sich in der Musik von Alexander Hacke ebenso mitteilt wie in den turbulenten Animationssequenzen, die jeden Abschnitt eröffnen. Für dramaturgischen Drive nimmt Poet aber auch in Kauf, dass die Beobachtungsschärfe von Kapitel zu Kapitel schwankt. Während die Sequenz über das autonome Kopenhagener Viertel Christiania sehr kompakt die inneren Spannungen zwischen jungen Aktivisten, älteren Besetzern und Drogenhändlern skizziert, ergötzt sich der Abschnitt über die australische Provinz Hutt River vor allem an der Selfmade-Folklore dieser Bauernmonarchie. Ähnlich ist es zwar sympathisch, dass »Empire Me« seine beiden streitbarsten Schauplätze – die esoterische Föderation von Damanhur und das »ZEGG – Zentrum für experimentelle Gesellschaftsgestaltung« mit seinem Programm sexueller Selbstfindung – nicht der Häme preisgibt. Aber der Film vermittelt auch nicht, was an diesen beiden Organisationen über die Hippie-Klischees von Esoterik als Bauernfängerei und freier Liebe als höherer Form von Verklemmtheit hinausginge. Vor allem fehlt diesem wuchernden Abenteuerfilm die Konzentration, um zu zeigen, inwiefern seine Ministaaten tatsächlich Provokationen des Status Quo darstellen und nicht bloß karnevaleske Spielzonen. Einige wirklich verblüffende Bilder setzen sich trotzdem im Gedächtnis fest. Und die Grundverzwicktheit so vieler aktueller »politischer« Filme mit einer großen Geste wegzuwischen, ist ja auch nicht nichts.